Netflix: »Archive 81«
© Quantrell D. Colbert/Netflix
Dan Turner (Mamoudou Athie), Spezialist für den Erhalt analoger Bildträger im New Yorker Filmmuseum, erhält einen lukrativen Spezialauftrag. Für den sinistren Konzernchef Davenport (Evan Jonigkeit) soll er Videos restaurieren, die durch einen Brand schwer beschädigt wurden. Die analogen Bänder stammen von der verschollenen Studentin Melody Pendras (Dina Shihabi), die im Jahr 1994 beim Dreh einer Dokumentation über ein Apartmenthaus auf eine okkulte Verschwörung stieß. Das Sichten der in mühevoller Kleinarbeit wiederhergestellten Videos ist nicht ohne. Immer tiefer taucht Dan ein ins Leben der Dokumentarfilmerin. Die Grenze zwischen Realität und Halluzination verschwimmt dabei immer mehr.
Rebecca Sonnenshine entwarf diesen Netflix-Achtteiler nach dem gleichnamigen Podcast von Daniel Powell und Marc Sollinger. Entscheidend für den Erfolg der Serie ist der geschickte Rückgriff auf stilbildende Genreklassiker. Deren Motive werden allerdings – und das muss man hervorheben – bewusst nicht konsequent umgesetzt. So lehnt sich die Geschichte stark an die Found-Footage-Erzählmethode an. Beim Abspielen der restaurierten Bänder wird Dan immer tiefer in die Verschwörung des Jahres 1994 hineingezogen. Anders als in »Blair Witch Project«, wo diese pseudodokumentarische Form auf die Spitze getrieben wird, wechseln die Rückblenden in »Archive 81« glatt zwischen schummerigen Amateurvideobildern und konventioneller Hochglanzästhetik hin und her. Auch bei ihrer zweiten Anleihe bleibt die Serie berechnend inkonsequent: Dass das Anschauen mysteriöser Videobänder, die offenbar einen realen Mord dokumentieren, beim Betrachter zu Halluzinationen führen kann, weiß man seit »Videodrome«. Im Gegensatz zu David Cronenbergs Klassiker von 1983, in dem die Psychose des Protagonisten zugleich die Erzählstruktur des Films zerbröselt, bleibt die Geschichte in »Archive 81« übersichtlich. So verknüpft die Serie ein experimentelles Flair mit gediegener Unterhaltung.
Auch darstellerisch ist Luft nach oben. Mamoudou Athie in der Rolle des psychisch labilen Restaurators Dan und Dina Shihabi als junge Frau, die in einer Endlosschleife feststeckt, können ihren Figuren nur wenig Tiefenschärfe verleihen. Sehenswert ist die Serie eher aufgrund ihrer ästhetischen Geschlossenheit. Bereits der architektonische Kontrast zwischen der abseits im Wald gelegenen brutalistischen Villa, in der Dan einsam seine Arbeit verrichtet, und dem verschimmelten Apartmenthaus voller schrulliger Psychos ist gelungen. Atmosphärische Bilder, untermalt von einem minimalistischen Soundtrack, setzen weniger auf schockierenden Horror als auf stilvollen Grusel. Der liebevolle Blick auf die Videoästhetik der 90er Jahre wird gespiegelt mit einem kunstvoll aufgefächerten Puzzle um eine fiktive Mysteryserie namens »The Circle«, deren unscharfe Fernsehbilder wie ein Vorläufer zu »Twilight Zone« anmuten. Mit diesen schillernden Anspielungen wird das Genre bedient, seine Grenzen werden aber nicht überschritten. Eine ausgewogene, aber nie langweilige Mischung.
OV-Trailer
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