MagentaTV: »The English«

»The English« (Miniserie, 2022). © Drama Republic & All3Media International.

»The English« (Miniserie, 2022). © Drama Republic & All3Media International.

Die Frontier neu interpretiert

Prärieaustern sind eine Delikatesse im Wilden Westen. Und wie viele Delikatessen sind sie ein »aquired taste«, wie eine englische Lady es nennen würde, gewöhnungsbedürftig. Denn Prärieaustern sind kein seltenes Seafood, sondern schlicht Stierhoden. Und die setzt der großspurige Hotelbesitzer Robert Watts (Ciarán Hinds) bei einem Dinner in der Ödnis von Kansas Cornelia Locke (Emily Blunt) vor, einer Aristokratin aus London, die 1890 in die Neue Welt reist, um den Mann zu finden, den sie für den Tod ihres Kinds verantwortlich macht. Nun sitzt sie als Geisel am Tisch ihres Peinigers, während er genüsslich auf seinen Prärieausstern kaut. Kurz darauf ist Watts tot. Durchbohrt vom Pfeil Eli Whipps (Chaske Spencer), eines indigenen Kavallerie-Scouts vom Stamm der Pawnee, dem sie zuvor selbst das Leben gerettet hatte und der ihr nun zu Hilfe kommt. Da ist noch keine halbe Stunde von »The English« vergangen, der sechsteiligen Miniserie von Hugo Blick (»The Honourable Woman«). Im Zentrum steht das ungleiche Paar von englischer Aristokratin und indigenem Kriegsveteranen, das sich fortan Seit an Seit durchschlägt, wenn auch aus unterschiedlichen Motiven, aber mit umso größeren Überlebenswillen.

Es geht um klassische Westernthemen: um Rache und Identität, Gier und Macht, Genozid und nun ja, auch um Liebe. Dabei ist vieles in diesem Präriethriller ahistorisch und revisionistisch bis zur Exzentrik: die zarte englische Lady im Ballkleid, die perfekt mit Pfeil und Bogen umgehen und durchaus kämpferisch sein kann, der »Native American« in Kavallerieuniform, ihr unwahrscheinlicher Verbündeter gegen die Übermacht weißer Männer. Wie Hugo Blick generell mit heutigem Verständnis für Ausbeutung, Kolonialisierung und Landraub auf diese Welt schaut.

Blunt spielt toll als eine Art ruppige Anti-Mary-Poppins im Wilden Westen, wirklich herausragend aber ist der indigene Schauspieler und Aktivist Chaske Spencer, bisher vor allem bekannt als Sam Uley in der »Twilight«-Saga, der hier den stoisch-einsamen Westernhelden, den früher John Wayne und Clint Eastwood verkörpert haben, als Ureinwohner reinterpretiert. Auch die weiteren Rollen sind durch die Bank trefflich besetzt mit Gary Farmer und Kimberly Guerrero aus der brillanten Native-American-Serie »Reservation Dogs« etwa, Stephen Rea als Sheriff oder Tom Hughes als englischer Viehbaron.

Die Genrekonventionen und Traditionslinien, ob gehuldigt oder unterwandert, sind deutlich: Schon der animierte Vorspann erinnert an Sergio Leone, ebenso der Score von Federico Jusid, gedreht wurde im spanischen Avila, das in elegisch gefilmten Panoramabildern für die weiten Landschaften von Colorado und Wyoming einsteht. Mit den großen Gesten, schwerhändig erzählten Rückblenden und stylish-gespreizten Dialogen muss man als eingefleischter Genre-Fan nachsichtig sein, wird aber mit so manch gut inszenierter Actionszene und Schießerei versöhnt.

OV-Trailer

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