Disney+: »Rot«

© Disney / Pixar

2022
Original-Titel: 
Turning Red
Heimkinostart: 
11.03.2022
FSK: 
Ohne Angabe
Mit »Rot« nimmt sich Pixar der weiblichen Pubertät an

Mei ist 13 Jahre alt, ein Energiebündel, zumindest, wenn sie mit ihren drei Schulfreundinnen unterwegs ist. Gegenüber der strengen Mutter allerdings verhält sie sich ziemlich zurückhaltend, denn – wie sie uns gleich zu Anfang des Films mitteilt – »Die erste Regel in meiner Familie lautet "Ehre Deine Eltern!"« Eines Morgens bekommt Mei einen Riesenschreck: als sie in den Spiegel schaut, erblickt sie einen großen roten Pandabären. Das wird ihr von nun an immer so gehen, wenn sie starke Gefühle entwickelt. Dahinter steckt ein Familiengeheimnis, wie ihre Mutter schließlich enthüllt: eine Vorfahrin hatte einst die Götter angefleht, ihr Kraft zu geben, ihre Familie in Kriegszeiten zu beschützen. Das wurde ihr durch diese Transformation gewährt. In die Neue Welt, nach Amerika übergesiedelt allerdings wollten sich die Nachfahren lieber anpassen, so wurde diese Fähigkeit von einem Segen zu einer Unannehmlichkeit. Doch wenn der Mond in einer bestimmten Position steht, kann man den Fluch mit einem Zauber bannen – und dieser Zeitpunkt kommt glücklicherweise bald.

Als sich Mei nach der ersten Transformation im Bad vor ihrer Mutter versteckt, vermutet diese, sie hätte vielleicht gerade zum ersten Mal ihre Periode bekommen. Das stimmt zwar nicht, aber man kann den roten Panda gleichwohl als Symbol dafür lesen. Mei ist in der Pubertät, sie kritzelt ihr Hausaufgabenheft voll mit Zeichnungen eines Jungen, für den sie schwärmt und sie und ihre Freundinnen haben alle einen crush für die fünf Jungs der Boygroup 4-Town. Die sollen in Kürze in der Stadt auftreten, weshalb das vorrangigste Ziel jetzt lautet: da müssen wir hin. Davon halten die Eltern allerdings gar nichts und der Eintrittspreis von 200 Dollar (pro Ticket, und das zu Beginn des Jahrtausends) ist auch happig. Aber da alle Mitschülerinnen (und auch einige Mitschüler) scharf auf Pandafotos sind, erweist sich Mei als clevere Geschäftsfrau, 700 Dollar haben sie damit in Kürze beisammen. Dann ein neuerlicher Schock: das Konzertdatum hat eine der Vier falsch gelesen – es ist am selben Tag wie das Ritual. Was wird Mei tun? Wird sie eine Ausrede finden, um das Ritual zu umgehen? Was, wenn ihre Mutter oder die Großmutter und die Tanten, die für das Ritual angereist sind, ihr auf die Schliche kommen?

Was würde der Animationsfilm machen, könnte er nicht von der Familie erzählen? Immerhin hat sich, auch bei ihm, der Familienbegriff in den letzten Jahren erweitert, von der Patchworkfamilie in der »Ice Age«-Reihe bis zu den zahlreichen anderen Wahlverwandtschaften, zu denen sich unterschiedlichste tierische Spezien zusammenfanden. Und auch bei den Menschen ist das traditionelle »Momma knows best« einem differenzierteren Blick gewichen. Von der Last bestimmter familiärer Traditionen erzählte schon der letzte Disney-Film »Encanto«, nun also auch der neue Pixar-Film. Scheint sich Meis Vater damit abgefunden zu haben, gegenüber seiner Ehefrau kaum zu Wort zu kommen (und nur allein mit seiner Tochter von seinen früheren Sehnsüchten sprechen zu können), so verändert sich der Blick des Zuschauers auf die strenge Mutter erst spät – als sie sich gegenüber ihrer eigenen Mutter am Telefon in ein vollkommen verängstigtes Kind verwandelt. Das Familiengeheimnis beinhaltet offenbar mehr, als sie Mei mitgeteilt hat. Wie es dann dazu kommt, dass ein überdimensionaler und äußerst schlecht gelaunter roter Panda in King Kong-Manier beim Konzert auftaucht und beginnt, das Stadion auseinanderzunehmen, muss man schon selber sehen. Am Ende hat sich das Verhältnis von Mutter und Tochter jedenfalls verbessert, Mei hat durchgesetzt, dass sie etwas von ihrer Panda-Identität behalten darf. »My panda, my choice« deklamiert sie, die Forderung auf das Selbstbestimmungsrecht der Frau über ihren Körper (»my body, my choice«) variierend. 

Das Langfilmdebüt der Regisseurin Domee Shi, die zuvor den Kurzfilm »Bao« (Vorfilm zu »Die Unglaublichen 2«) für Pixar drehte, spielt im Jahr 2002 in deren Heimatstadt Toronto, an ihre eigene Kindheit dort anknüpfend. Erwachsene Zuschauer dürften danach auch Boygroups in einem anderen Licht sehen.

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