Amazon: »Damaged Goods«

»Damaged Goods« (Serie, 2022). © Prime Video / Linda Nohr

© Prime Video / Linda Nohr

Ich bin so depressed

»Ich bin so scheiße.« Dieser Satz fällt nach knapp 20 Sekunden der neuen Amazon-Serie »Damaged Goods« (ab 11. Juli) und gibt den Ton vor. Ausgesprochen hat ihn Hauptfigur Nola (Sophie Passmann), die über Monate als selbst ernannte Küchenpsychologin psychische Probleme erörtert und dabei ihren engsten Freundeskreis in München als Anschauungsmaterial verwendet – ohne Wissen der Porträtierten.

Die Dramedy beginnt mit dem Ende, Nola legt dar, wie es so weit kommen konnte, das ihre »unzertrennliche« Clique nichts mehr mit ihr zu tun haben will. Von dem Moment, als ihre Abschlussarbeit an der Uni vom Psychologieprofessor abgelehnt wurde, aus der Traum von der eigenen Karriere als Therapeutin, und wie sie dann im Baumarkt jobbt, während sie ihre Sinnkrise und die ihrer Generation in einem Podcast verarbeitet. Denn die fünf Freunde sind allesamt Endzwanziger und damit Teil der Generation Y, also Millennials, mit all ihren Befindlichkeiten.

Psycho ist der neue Pop, kaum eine Dramedyserie, die ohne Traumata, Depressionen oder Süchten als Topoi auskommen würde. Auch im deutschsprachigen Raum etwa mit Nora Tschirners »The Mopes«, in der sie als personifizierte Depression ihre eigene psychische Erkrankung selbstironisch verarbeitete. »Damaged Goods«-Hauptdarstellerin Sophie Passmann passt so als Besetzung gleich im doppelten Sinne: Die 1994 geborene Autorin und Podcasterin ist selbst Teil der Generation, der sie mit ihrem Buch »Komplett Gänsehaut« (2021) die Leviten gelesen hat. Zuvor hatte sie an anderer Stelle erklärt, unter einer bipolaren Störung zu leiden. Idee und Bücher der Serie stammen allerdings nicht von ihr, sondern von Headautor Jonas Bock und sieben weiteren im Writers Room, Regie führte die 1984 geborene Münchenerin Anna-Katharina Maier (»Der Beischläfer«, Amazon-Serie, 2021), die hier ein liberales, modernes München mit einigen Seitenhieben auf alte, weiße Säcke inszenieren und dabei einen leichten, offenherzigen Tonfall halten. Die Clique selbst ist freilich divers: Tia (Zeynep Bozbay), die PoC-Künstlerin kurz vorm Durchbruch, Hugo (Antonije Stankovic), der schwule Stewart, Hennie (Leonie Brill), die spießige Jungmanagerin und Mads (Tim Oliver Schultz), der Gelegenheitsjobber und Frauenheld.

Warum sie alle miteinander befreundet sind? Therapie verbindet offensichtlich, und nach der ersten holprigen Folge (drei waren vorab zu sehen) gewinnen die fünf auch an Konturen in ihrer jeweiligen Orientierungslosigkeit und der Frage, wer man ist oder sein will. Oder mit wem. Die einzelnen Folgen behandeln, Themen wie Neinsagen, Selbstbild/Fremdbild oder Sex. Und ziehen daraus immer wieder unterhaltsame Szenen, in denen sich das Publikum je nach Alter womöglich wiederfindet. Auch die Dialoge der Millennials mit ihrem Tick, englische Begriffe oder ganze Sätze zu benutzen, als seien sie Darsteller in ihrer eigenen Soap, sind fucking gewöhnungsbedürftig.

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