Streaming-Tipp: »The Stand«

»The Stand« (Staffel 1, 2020). © CBS

»The Stand« (Staffel 1, 2020). © CBS

Post-Pandemie

Stephen Kings »The Stand« ist ein Ziegelstein von einem Buch. Bekanntermaßen erschien der Apokalypsen-Roman 1978 in gekürzter Form, weil Kings Verlag der Meinung war, ein Tausendseiter verkaufe sich schlecht. 1990, Kings Name war längst zur Marke geworden, kam die um 400 Seiten erweiterte Fassung heraus. 1994 gab es dann die erste filmische Adaption in Form einer Miniserie, die die Fans enttäuschte. Mehr als 25 Jahre später wurde ein neuer Versuch in Auftrag gegeben, und dessen Ausstrahlung fällt nun ausgerechnet in die Zeit einer echten Pandemie. Stephen King lacht darüber.

»Captain Trips« nennen seine Figuren den Influenzavirus, der nach den Paranoiamustern der 70er aus einem Militärlabor entweicht und nach und nach der Welt den Garaus macht. Die ersten Kapitel des Buches, in denen King nicht frei von Katastrophenlust das Ausbreiten des Virus schildert, von Familie zum Nahverkehr, von der Busfahrt ins Café, von dort in die Büros, Krankenhäuser, Gefängnisse, besitzen heute einen eigenen Schrecken. Für die Entscheidung, »The Stand« diesmal nicht chronologisch, sondern aus der Mitte heraus mit »Lost«-ähnlichen Rückblenden zu den einzelnen Figuren zu erzählen, ist man deshalb geradezu dankbar. Ihren Horror­aspekt gewinnt die Serie sowieso aus dem mit allerlei übernatürlichen Elementen aufgeladenen Kampf zwischen Gut und Böse, in den sich die Überlebenden verwickelt sehen, als die Pandemie zu Ende ist. 

In den ersten Folgen taucht der »schwarze Mann«, später auch Flagg genannt und von Alexander Skarsgård mit dämonisch-angehauchter Stimme zur vollen Größe belebt, nur am Rande auf. Und über seine Gegenspielerin, Mother Abigail (Whoopi Goldberg), erfährt man kaum mehr, als dass sie es mittels ausgesendeten Träumen geschafft hat, eine größer werdende Gruppe Überlebender zu sich zu rufen, die nun im Westernstil eine neue Zivilisation aufbauen, während sich anderswo das Böse sammelt . . .

Dass man so von Anfang an sieht, wer überlebt hat, nimmt den Rückblenden etwas an Spannung, aber macht sie als Backstory nicht weniger aussagekräftig. Zwar muss man sich allzu früh von J. K. Simmons und Hamish Linklater verabschieden, aber auch der überlebende Rest hat es besetzungsmäßig in sich: Greg Kinnear spielt den Althippie-Professor mit den klugen Sprüchen und James Marsden den Quasi-John-Wayne im Zentrum. Es gibt das schwangere Mädchen (Odessa Young), das gerettet werden muss, die verführerische Nixe (Amber Heard), die Böses im Schilde führt, einen verkrachten Popstar (Jovan Adepo) und das »Odd Couple« eines Taubstummen (Henry Zaga) und eines Mannes mit Lernbehinderung (Brad William Henke) u. v. m. Die große Entdeckung der Serie ist Owen Teague als Harold Lauder, ein Nerd mit ungesunder Obsession für die Schwangere. Teague spielt ihn so fesselnd hin- und hergerissen zwischen jungenhafter Versponnenheit und tiefem Gekränktsein, dass man sich auf völlig neue Weise für ihn interessiert.

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