Streaming-Tipp: »Upload«
Zainab Johnson und Andy Allo in »Upload« (Serie, 2020). © Amazon
Wer hatte nicht schon einmal insgeheim die Vorstellung, auf seiner eigenen Beerdigung als Zaungast anwesend zu sein? In der Serie »Upload« wird diese Fantasie mit einer ungewöhnlichen Pointe neu durchgespielt. Held des 10-teiligen Amazon-Originals aus der Feder der beiden »The Office«-Macher Greg Daniels und Howard Klein ist Nathan (Robbie Amell), ein junger App-Entwickler, der in einer nicht allzu fernen, durchdigitalisierten Zukunft lebt. In dieser Welt sind iPhones immateriell. Steaks kommen aus dem 3-D-Drucker. Und autonomes Fahren hat den Autoverkehr so langweilig gemacht wie öffentlich-rechtliches Fernsehen.
Nathan weiß Abhilfe. Ein kleiner Hack, und die Autobahn wird zum rasanten Videospiel. Dabei kommt es prompt zu einem schweren Unfall. Nathan erleidet lebensgefährliche Verletzungen. Als Ausweg in solchen Situationen gibt es »Upload«, ein digitales Leben nach dem Tod. Als Avatar seiner Selbst wird Nathans Bewusstsein nach Lakeview gebeamt. In diesem virtuellen Fünfsternehotel genießen Tote allen erdenklichen Komfort. Sogar den pittoresken Blick aus dem Fenster kann man per Drehschalter der gewünschten Jahreszeit anpassen.
Was nach einem Aufguss aus »Pleasantville« und »Black Mirror« klingt, erweist sich schnell als sophistische Vision, in der die Möglichkeiten virtueller Realität auf eine so noch nicht gesehenen Weise durchdekliniert werden. Zwei bemerkenswerte dramaturgische Kniffe sind es vor allem, die »Upload« von Genre-Meterware unterscheiden. Zum einen sprüht die US-Serie nur so vor abgründigem Witz. Der Held führt beispielsweise eine ernsthafte therapeutische Unterredung mit einem sprechenden Hund. Und es geht in »Upload«, für Sci-Fi-Geschichten noch unüblicher, um Sex – und zwar sehr explizit.
Nathans Freundin Ingrid will mit ihrem Verblichenen schlafen. In der Welt von »Upload« ist dieses Thema, für das Ingrid sogar von »Vogue« interviewt wird, der letzte Schrei. Dank gefühlsechtem Data Suit und VR-Brille soll die nekrophile Erotik technisch realisierbar sein. Leider versagt Nathans digitale Erektion. Ingrid fühlt sich durch das unerwartete Versagen ihres hochgeladenen Geliebten narzisstisch gekränkt. Empört wendet sie sich an den technischen Support.
Gefragt ist in diesem Fall Nora. Die Angestellte im Kundenservice eines Virtual-Reality-Unternehmens, das digitalisierte Seelen nach deren Tod in der Cloud parkt, muss sich neben Nathan allerdings noch um das Wohlergehen Hunderter weiterer Klienten kümmern. Sind diese mit ihrem Pixelparadies unzufrieden, dann gibt es keine Likes – was schnell zu beruflich-sozialem Abstieg in der wirklichen Welt führen kann.
Mit dialektischem Augenzwinkern führt die Serie vor, dass Noras Job auch eine ausgesprochen philosophische Dimension hat: »Ich denke, also bin ich«, so lauten Nathans erste Worte nach seiner Wiederauferstehung in der Welt von 0 und 1. Als Nathan sich bei seinem Schutzengel beschwert, bringt Nora ihm bei, dass es gerade jene kleinen Fehler in der Benutzeroberfläche sind, die seine posthume Existenz menschlich erscheinen lassen. Nach dem Motto »Perfekt wäre nicht perfekt: ein echter Slavoj-Žižek-Trick«.
Die Serie thematisiert die Kehrseite jener Plattform-Ökonomie, die zunächst, wie beim Online-Händler Amazon, die Macht des Kunden gegenüber den Anbietern stärkt. Pikanterweise ist Nathan auch noch im Jenseits ein »Kunde«. Wem in dieser Ewigkeit das nötige Guthaben fehlt, für den verwandelt sich die virtuelle Norman-Rockwell-Idylle rasch in ein buchstäbliches Zimmer ohne Aussicht.
Die visuell einfallsreiche Serie verblüfft als Mischung aus digitaler Dystopie und spritziger Comedy. Wenn im CNN-Nachrichtenstil »der erste Download« live übertragen wird – also die versuchte Reinkarnation einer digitalisierten Seele in einem Körper aus Fleisch und Blut –, dann spielt »Upload« nebenbei auch noch deftig auf der David-Cronenberg-Klaviatur. Nach dieser Serie nimmt man das Modewort Digitalisierung nicht mehr so achtlos in den Mund.
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