Streaming-Tipp: »El Presidente«
»El Presidente« (Serie, 2020). © Amazon Studios
»Die Fifa«, so ein Insider über den Weltfußballverband, »ist wie die »Sopranos« – nur mit schlechteren Menschen.« Von diesen moralisch verderbten Subjekten erzählt die Serie »El Presidente«. Der chilenische Regisseur Pablo Larraín greift den Skandal um Chuck Blazer auf, der 2015 zum Sturz von Fifa-Präsident Sepp Blatter führte. Blazer, von 1990 bis 2011 Generalsekretär des nordamerikanischen Fußballverbandes Concacaf, kommt in diesem vergnüglichen Achtteiler nicht direkt vor. Die Figur des Whistleblowers, der die Machenschaften seiner Kollegen im Auftrag des FBI mit verstecktem Mikrofon abhörte, fließt jedoch ein in das Porträt des Präsidenten des chilenischen Fußballverbands, Sergio Jadue, dem der kolumbianische Darsteller Andrés Parra täuschend ähnlich sieht.
Mit ihrer kurzweiligen Mischung aus Erklärvideo und Mafia-Epos zeichnet die Serie das Bild eines durch und durch korrupten Systems. Zu Beginn gehört Jadue noch nicht zum erlauchten Kreis der einflussreichen Fußballfunktionäre. Mit liebevollem Blick in die Niederungen des Fußballgeschäfts wird gezeigt, wie er als Präsident eines maroden Zweitligisten auf ebenso dreiste wie dämliche Weise trickst und betrügt.
Jadue ist also ein erfolgloser Trottel. Gerade deshalb wird er ausgewählt. Dank einer Intrige wird aus dem unbedarften Strohmann bald ein mächtiger Drahtzieher. Erzählt werden die auf zwei Zeitebenen entfalteten Verwicklungen aus der Sicht eines Toten. Der 2014 verstorbene argentinische Verbandspräsident Julio Grondona (Luis Margani) erklärt haarklein, wie ältere Herren lukrative Fernsehrechte verschachern und dabei jungen Kellnerinnen an die Wäsche gehen.
Mit viel Witz zeigt die Serie auf, wie Jadue als »El Presidente« zwar viel Geld scheffelt. Er bleibt aber ein ohnmächtiger Drahtzieher, der von zwei Frauen gegängelt wird. Eine amerikanische Agentin (Karla Souza) erpresst ihn, für das FBI zu spitzeln. Unterdessen schärft seine Frau (Paulina Gaitán) ihrem Gatten ein, wie man mit sozialen Medien umgeht. Die Serie führt so auch vor Augen, wie aufstiegsorientierten Gattinnen in der Kultur der infantilen Machos nur die Möglichkeit bleibt, im Hintergrund zu agieren.
Ein weiteres Schlüsselthema: die Vergabe der WM 2022 an Katar. Ein Seitenblick auf die dortige Baustelle zeigt, wie gerade ein Arbeiter vom Baugerüst in den Tod stürzt: Einer von 1400, die bis 2019 beim Bau von WM-Stadien starben. Unterdessen freundet sich Jadue mit einem jener Scheich-Funktionäre an, der für die Vergabe der WM verantwortlich ist. Leutselig berichtet der Chilene dabei von seinen palästinensischen Wurzeln. Der beiläufige Blick auf die arabische Connection in der Fifa ist nur eine von zahlreichen Pointen. Das glänzend recherchierte Skript von Armando Bó, dem Koautor von »Birdman«, nutzt die Möglichkeiten des horizontalen Erzählens, um die abenteuerlichen Verstrickungen im Profifußball transparent zu machen. Unbedingt sehenswert.
Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns