Film des Monats September: »Vitalina Varela«
Als Vitalina Varela auf dem Flughafen von Lissabon landet, kommt sie zu spät. Ihr Ehemann, der sie Jahre zuvor verlassen hatte, um aus der ehemaligen Kolonie Kap Verde nach Portugal auszuwandern, ist wenige Tage zuvor verstorben. Sein Traum, sich in der Hauptstadt des ehemaligen Kolonialreichs eine Existenz aufzubauen, hat sich nicht erfüllt. Wie alle anderen Einwanderer ist er ein Fremder geblieben und an der »portugiesischen Kälte« gescheitert, die für die Migranten nur Elend und Bitterkeit bereithält. Nun steht Vitalina vor dem Nichts. Ohne die Sprache zu beherrschen, in einem Haus, das heruntergekommen ist, kann sie weder bleiben noch zurückkehren. Die Kameraden ihres Mannes sind selbst gescheiterte Existenzen, und auch der Priester der Gemeinde kann ihr keinen Trost spenden, da er eine schwere Schuld trägt und seinen Glauben schon lange verloren hat. In dieser Situation erweist sich Vitalina als starke Frau und eigenständige Persönlichkeit, die sich von der sie umgebenden Mutlosigkeit nicht zermürben lässt. So wie sie sich auf Kap Verde in Abwesenheit ihres Mannes ein Haus und eine Existenz aufbaute, beginnt sie nun, die Grundlage für ein selbstständiges Leben zu legen.
Ohne die Ausweglosigkeit zu verschleiern, gibt Petro Costa den Bewohner*innen der Armenviertel Lissabons die Möglichkeit, ihre Würde zu wahren, indem er sie ihre eigene Geschichte darstellen und erzählen lässt. Dass dieses Experiment gelingt, ist der einzigartigen Bildsprache, die Costa in seinen Filmen von Anfang an entwickelt, sowie der großartigen Lichtführung und den perfekten Kameraeinstellungen zu verdanken, die dazu führen, dass Empathie für die Entrechteten und respektvolle Distanz gegenüber den Protagonist*innen in ein formal und inhaltlich beeindruckendes Gleichgewicht gebracht werden. So wird jede Bildeinstellung zu einem Kunstwerk, ohne an Lebendigkeit zu verlieren. Ein weiteres Meisterwerk des portugiesischen Regisseurs, das soziales Engagement mit hohem künstlerischen Niveau verbindet.
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