DVD-Tipp: Filme zur Studentenbewegung
Die kollektive Erinnerung an die Studentenbewegung prägen Bilder spektakulärer Aktionen – überfüllte studentische Vollversammlungen mit Rudi Dutschke am Mikrophon, Transparente und rote Fahnen im Hintergrund, rauchvernebelte Prügelszenen, in Flammen stehende Lieferwagen der »Bild«-Zeitung oder in geschlossener Reihe untergehakt demonstrierende Studenten und Studentinnen.« So heißt es treffend im begleitenden Booklet. »'68 bedeutete aber auch endlose Sitzungen in universitären Gremien und Arbeitsgruppen, seitenlange Papiere und Reformvorschläge, teilweise schwer nachvollziehbare Streitereien um Details und Grundsatzfragen, denen große symbolische und strategische Bedeutung zukam.«
Genau davon erzählen die »Filme zur Studentenbewegung« 1967–1969; man kann mit den damals am Ulmer Institut für Filmgestaltung entstandenen Dokumentarfilmen eine eher vergessene Seite der Studentenbewegung entdecken. Entstanden sind die acht Filme von Günther Hörmann und Hans-Dieter Müller im Rahmen eines von der VW-Stiftung geförderten Projektes zu Lebens- und Arbeitswelten von Studenten und Professoren an den Universitäten, wie Günther Hörmann in seinem Einleitungstext erläutert. Die letzten vier Filme lassen dieses Konzept erkennen; sie sind im Wintersemester 1968/69 an der Universität Freiburg entstanden, porträtieren Professoren und Studenten und zeigen die Debatten zu einem geplanten neuen Hochschulgesetz. Es sollte die Universitäten für die Zukunft aufstellen, hätte zwar die Macht der Ordinarien beschnitten, aber auch durch verkürzte Studienzeiten die Möglichkeiten zur kritischen Auseinandersetzung genommen.
Hier treten die Studenten noch mit Schlipsen auf, der Debattenton ist überwiegend sachlich, doch das ändert sich später. Weiter ist die Protestbewegung in den Filmen, die 1967/68 in Berlin, Hannover und Frankfurt entstanden. Ruhestörung von Günther Hörmann (der damals auch in den Programmkinos lief) zeigt, wie in Berlin nach dem Schock des 2. Juni 1967 (der Erschießung eines friedlichen Demonstranten, Benno Ohnesorg, durch einen Polizisten) versucht wird, Perspektiven zu entwickeln, den Protest nicht als Strohfeuer versanden zu lassen, sondern langfristig in organisierte Bahnen zu lenken. Damit war selbst die Avantgarde des SDS, des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes, überfordert, wie deren leitender Vertreter Wolfgang Lefèvre in einem langen Interview eingesteht. Zu erleben ist auch die schmerzhafte Abnabelung der Söhne von ihren Vätern, wie ein Disput zwischen Rudi Dutschke und Jürgen Habermas deutlich macht. Anderthalb Jahre später zeigt die letzte SDS-Delegiertenkonferenz in Hannover den Zerfall der Bewegung. Die dominierenden Redner sind hier Christian Semler und Joscha Schmierer, die bald darauf zu Sprachrohren der maoistischen K-Gruppen werden sollten, Semler 1970 als Mitbegründer der KPD/AO, später deren Vorsitzender (und nach deren Ende Redakteur der »taz«), Schmierer 1973–1985 als Vorsitzender des KBW (und 1999–2007 Mitarbeiter im Planungsstab des Auswärtigen Amtes). Ihm verdankt sich der Filmtitel dieser Doku, »Django und die Tradition«, denn er tritt mit Schal und einem Hut auf, wie ihn Franco Nero in »Django« trug.
Kurioserweise findet ein wichtiger Moment dieser Veranstaltung anfangs im Off statt: die Rede einer Frau zur Flugblatt–aktion des »Weiberrats Frankfurt«, wo jene epochale Karikatur verteilt wurde, bei der die »SDS-Eminenzen von ihren sozialistischen Schwänzen« befreit werden sollten. Darauf war die Kamera trotz ihrer Mobilität offenbar nicht gefasst; sie zeigt stattdessen ZuhörerInnen von hinten, das passt zur Hilflosigkeit, mit der der nachfolgende männliche Redner reagiert.
Vieles in diesen Filmen wird man nicht verstehen ohne die Lektüre der Texte im Booklet. Trotzdem eine lohnende Ausgrabung.
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