Das deutsche Spitzengenre
»25 km/h« (2018). © Sony Pictures
Vielleicht ist die Dauerklage über den Mangel an guten deutschen Komödien etwa im Vergleich zu Frankreich verfehlt. Denn es gibt ja längst ein Genre, in dem Deutschland fast so unschlagbar ist wie Amis bei Western: das Männer-Roadmovie. Nicht nur Wim Wenders hat wie besessen das Unterwegssein einsamer Typen, angefangen bei »Alice in den Städten«, zelebriert. Zu unseren großen Kinoerfolgen zählt »Knockin' on Heaven's Door«, in dem zwei Krebskranke im Mercedes unterwegs sind mit dem Plan: vor dem Tod das Meer sehen. Dann wären da »Friendship!«, in dem gleich nach dem Mauerfall zwei Ossis per Anhalter den Imperativ »Go West!« bis nach San Francisco ausreizen, und »Wir können auch anders«, in dem der Weg umgekehrt in den deutschen Osten geht. Ständig machen sich im deutschen Film Männer spontan auf die Socken. Um nur die bekanntesten »Nix wie weg«-Getriebenen der letzten Jahre zu nennen: In »Tschick« hauen zwei Jungs im geklauten Lada ab; in »Hin und weg« radelt ein Todgeweihter mit seiner Clique zur Sterbehilfe an die belgische Nordsee. Diesen Monat gurken in Markus Gollers zweitem Roadmovie »25 km/h« zwei erwachsene Brüder mit Zündapp-Mofas herum, natürlich zum Meer. Und es startet »Whatever Happens Next«, dessen Held gar keinen Grund mehr braucht, um durch die Gegend zu gondeln.
Ein Film wie »303«, dem es gerade sehr wirkungsvoll gelungen ist, Roadmovie und Romane zu fusionieren, scheint dabei eher die Ausnahme zu sein. Über die Jahre fällt auf, dass wenig Frauen, also Probleme, mitfahren. Hier dürfen Männer unter sich sein, entspannt herumwitzeln, Musik im Radio hören, unterwegs Stippvisiten in das Leben anderer machen. Dass die Reisen unter dem Vorzeichen einer wie auch immer gearteten Erleuchtung von A wie »A . . . loch« nach B wie »besserer Mensch« stehen, ist meist nur ein rhetorischer Vorwand. Doch es wäre zu böswillig gedacht, den Dauerbrenner Roadmovie mit der in jedem durchquerten Bundesland ausgeteilten Filmförderung in Zusammenhang zu bringen. Vielleicht handelt es sich schlicht um die Fortführung der Tradition des romantischen Eskapismus: »Aus dem Leben eines Taugenichts« mit mehr PS.
Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns