Kritik zu Friendship!
Die Geschichte der Wende mal aus transatlantischer Perspektive: Der in München geborene Markus Goller hat ein Roadmovie über zwei Ossis gedreht, die nach dem Mauerfall zum obersten Klassenfeind fliegen
Anlässlich des Mauerfalls machte Alt-Bundeskanzler Kohl vor 20 Jahren nebenbei eine sehr einfache und wahre Bemerkung. Freiheit bedeute für ihn, wenn zum Beispiel eine Clique junger Leute in Leipzig über Nacht beschließt, mal kurz nach Paris zu fahren. Einfach so. Ein ähnlich unternehmungslustiger Geist herrscht anfangs in diesem Wende-Roadmovie, in dem kurz nach dem Mauerfall zwei Ostberliner, einfach so, mit ihrem Begrüßungsgeld nach Amerika fliegen. Veit hat aber eine geheime Agenda, die sein Freund Tom erst unterwegs entdeckt: Er will seinen Vater finden, der vor langem schon geflüchtet ist und ihm jedes Jahr eine Geburtstagskarte aus San Francisco schickt. Ihr Geld reicht gerade für den Flug nach New York, ab dort müssen sie trampen.
Auf dem Highway in Richtung Westen: wer selbst je auf eigene Faust durch die USA reiste, wird das Gefühl von Losgelöstheit und Freiheit, das Staunen über die Weite, über Mega-Supermärkte, auch über das »Keep Smiling«, gepaart mit entspannter Ignoranz gegenüber Fremden, wiedererkennen. Darüber hinaus bezieht dieses »Go West« seinen Humor natürlich aus dem »Culture Clash« zwischen dem relaxten »American Way of Life« und uncoolen Ossis, die auf die Floskel »How are you?« ernst und ausführlich antworten. In Drugstores, Motels und Supermärkten begegnen sie kiffenden Comiczeichnern, Cheerleadern, Hinterwäldlern, Rockern und deutschen Auswanderern – alle hilfsbereit und naiv, gelegentlich etwas durchgeknallt.
Die Probleme dieser Komödie sind offensichtlich: Wenn Frauen im Spiel sind (und das gilt leider für viele deutsche Komödien), geht jeder Charme flöten. Zwei Girlies, von den beiden exotischen Ossis angetörnt, werden mit Landserhumor als prototypische »blond bimbos« vorgeführt. Darstellerisch sind die Rollen klar aufgeteilt: Matthias Schweighöfer mimt das renitente Großmaul, ist zuständig für dreiste Anmache und aufgedrehtes Gehabe. Neuentdeckung Friedrich Mücke gibt den introvertierten Kümmerer und entwickelt viel Tiefgang, was ihm dank seines eindimensional rotzigen Partners nicht schwerfällt.
Doch ein gutes Drehbuch (Oliver Ziegenbalg, der auch »13 Semester« schrieb), das geschickt zwischen Dur und Moll balanciert, sorgt dafür, dass der Trip nicht zur platten Nummernrevue verkommt. So entfalten die schwarz-weißen Reminiszenzen der Amateurfilmer an eine untergegangene Welt – die Aufmärsche, die Mahnwachen, die realsozialistische Tristesse des Arbeiter- und Bauernparadieses – erst bei der Filmvorführung beim neugierig-mitfühlenden Klassenfeind ihre gruselige Wirkung. Die Vergangenheit reist stets mit – und sei es nur, wenn die zwei, als Russen uniformiert, in einer Schwulenbar zu »Auferstanden aus Ruinen« im Technorhythmus strippen oder gefakte Mauersteine als Souvenir verhökern. Auch die Stasi ist schon da, wie sich herausstellt. Mit einer unvorhersehbaren Schlusspointe entwickelt sich das Roadmovie schließlich zur berührenden Tragikomödie, die ein eher gelungener Versuch ist, die Perspektive auf die Wende jenseits deutsch-deutscher Nabelschau zu erweitern.
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