Allem Anfang wohnt ein Zauber inne

Unsere "steile These" des Monats Februar
»Inglourious Basterds« (2009). © Universal Pictures

»Inglourious Basterds« (2009). © Universal Pictures

Was haben die Amazon-Serie »You are Wanted« und ­die Kanzlerkandidatur von Martin Schulz gemeinsam? Es fing vielversprechend an, dann passierte erst mal nichts, und lange vor dem Ende war es vorbei. Der geneigte Wähler/Zuschauer hoffte noch auf ein retardierendes Moment – vergebens.

Ohne guten Einstieg läuft allerdings gar nichts, und das wissen die Amerikaner am besten: Hollywood kann Exposition. Sei es Quentin Tarantino, der seinen Oberst Landa (Christoph Waltz) in den ersten fünfzehn Minuten von »Inglourious Basterds« seine ganze schmierige Gemeinheit entfesseln lässt. Oder Francis Ford Coppola, der in »Apocalypse Now« einen Dschungel abbrennt, um dann seinen Hauptdarsteller Martin Sheen bei einem selbstzerstörerischen Drogentanz in einer Saigoner Absteige zu zeigen. Im Hintergrund säuselt Jim Morrison »This is the end, my only friend, the end.« Von wegen Ende!

Ein guter Einstieg ist durchaus kein Erfolgsgarant. Auch schlechte Filme haben gute Anfangssequenzen, wie etwa Zack Snyders »Watchmen«. Zu den Klängen von Bob Dylans »The Times They Are a-Changin'« entfalten sich wortlos Aufstieg und Niedergang einer frühen Superheldengeneration vor einer alternativen Zeitlinie: Verfremdete ikonische Bilder aus dem Zweiten Weltkrieg, von Anti-Vietnam-Protesten oder John F. Kennedys Ermordung mischen sich mit 40er-Jahre-Comic-Look und adeln das Intro zu einem eigenständigen Kurzfilm.

Und danach? Ein orientierungsloser Helden-Clash. Warum nur geht so vielen Regisseuren nach dem Einstieg die Puste aus? Gerade Superheldenfilme (»The Dark Knight Rises«, »Suicide Squad«) scheinen dafür anfällig. Durch die Heldenflut wird es offenbar schwieriger, eine Heldengenese zu erzählen, die man noch nicht zigmal gesehen hat. Ausgefallene Charaktere werden zwar pfiffig eingeführt, aber das hilft nichts, wenn eine Vision für den Rest der Geschichte fehlt. Ähnlich hat auch Martin Schulz ernüchtert. Der schrumpfte vom SPD-Heilsbringer »St. Martin« zum wütenden Wendehals aus Würselen. Wer sich beim ersten Eindruck überhebt, läuft Gefahr, sich mit der Zeit selbst zu entzaubern.

Meinung zum Thema

Kommentare

Diesem Anfang wohnt ein Zauber inne. Zum ersten mal schreibe ich was rein in so ein Feld bei Ihnen....
Ich sehe wenig Filme in letzter Zeit und kann deshalb eigentlich gar nicht mitreden...Aber weil ich mal eine Radiosendung machte, die genauso hiess wie Ihr Artikel, konnte ich nicht widerstehen.
Herrmann Hesse hatte das gesagt mit dem zauberhaften Anfang. Und ich ende hiermit einfach so.

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