Kritik zu Crazy Heart
Man muss kein Country Fan sein, um sich in diesem Film zu Hause zu fühlen. Scott Cooper zeichnet mit tätiger Hilfe seines Stars Jeff Bridges das großartige Portät eines . . . na ja: abgerockten Musikers
Das Lässige und das Lächerliche liegen oft ganz nah beieinander. Zum Beispiel wenn Bad Blake aus seinem Auto steigt, mit einem beiläufigen Fluch auf den Lippen und offenem Gürtel, und dann einen Kanister vom Beifahrersitz fischt und den Urin darin auf den Parkplatz schüttet. Das Lächerliche und das Tragische waren sich schon immer nah: Der abgehalfterten Country-Legende passiert es schon mal, dass er mitten in einem Gig die Bühne verlassen muss, um im Hof in eine Mülltonne zu kotzen.
Bad Blake ist nur einer von vielen coolen bis kaputten Typen, die Jeff Bridges schon verkörpert hat. Hier ist er ein Untergeher par excellence, einer, der den existenziellen Fall hinter sich hat. Er ist unten angekommen, pleite, allein, dem Alkohol ergeben. Immerhin, es gibt da seine Musik, und die übt immer noch einen Zauber auf die Zuhörer aus, die auch schon mal frischer ausgesehen haben. Hin und wieder findet er Gesellschaft für die Nacht – wählerisch ist er nicht mehr. »I used to be somebody, but now I’m someone else.« So tingelt er durch Clubs und Kaschemmen und spielt die alten Songs, ein einsamer Wolf auf dem letzten Stück seines Weges.
Eine seltene Abwechslung ist die Gelegenheit, bei seinem musikalischen Zögling Tommy Sweet als Opener aufzutreten. Doch da treffen Welten aufeinander; schon die Namen sprechen Bände. Bad ist ein musikalischer Dinosaurier, ohne Marketingkniffe, kantig und puristisch, mit stets beeindruckend verschwitztem Hemd. Sweet (Colin Farrell) ist adrett, vernünftig, weiß sich zu verkaufen und spielt folgerichtig auf den großen Bühnen. Es ist wie in den Spätwestern, wo die alten Revolverhelden erkennen müssen, dass ihre Zeit vorüber ist.
Man muss kein Fan von Country sein, kein Kenner von Stephen Bruton und T-Bone Burnett, die die Musik zum Film beigesteuert haben, um sich von den getragenen Songs bewegen zu lassen. Sie spiegeln kongenial die Verfassung der Hauptfigur, mit der man dank des hinreißenden Spiels von Bridges stets mitfühlen kann, ohne dabei das Lächerliche und die Starre dieses Typen zu vergessen. Dezent und selbstironisch hat Bridges seine Rolle angelegt, mit einer Kraft, die gerade aus dem Verzicht auf schauspielerische Kraftmeierei kommt.
Gelassen und unaufdringlich ist auch die gesamte Gestaltung des Films, die den Rhythmus der Songs ins Visuelle übersetzt, und das fast ohne einen falschen Ton. Kaum etwas wird allzu deutlich ausgestellt oder betont, Crazy Heart hat es nicht nötig, bei den Gefühlen der Zuschauer anschaffen zu gehen. Selbst die majestätischen texanischen Landschaften ziehen meist ganz bescheiden am Autofenster vorbei. Und dramatische Situationen werden mit einer Souveränität geschildert, die man bei einem Regiedebütanten wie Scott Cooper nicht unbedingt erwartet. Anlass für Erlösungspathos gäbe der Stoff durchaus her, denn es geschieht eben doch noch etwas im Leben von Bad Blake: Eine junge Journalistin, selbst von schmerzlichen Erfahrungen gezeichnet, bittet ihn um ein Interview. Die leider so selten angemessen gewürdigte Maggie Gyllenhall spielt diese Jean, und gemeinsam mit Bridges lässt sie in einem sehr zurückhaltend und doch zärtlich inszenierten Gespräch die plötzliche Nähe zwischen diesen beiden gänzlich verschiedenen Menschen absolut plausibel werden. Allzu romantisch wird es vorerst nicht: Kaum hat Jean Blake verlassen, kramt der nach der Telefonnummer einer Konzertbesucherin, mit der er den Rest der Nacht verbringen könnte. Trotzdem entwickelt sich Crazy Heart vom Porträt zur Liebesgeschichte. Aber eine verantwortungsvolle alleinerziehende Mutter und ein Trinker kurz vor dem Kollaps – ein Traumpaar ist das nicht. Als Blake mit Jeans kleinem Sohn Buddy allein in Houston unterwegs ist und ihn, angetrunken wie immer, verliert, steht die Beziehung vor dem Aus. Und Blake vor der Frage, ob er sein Leben noch ändern kann.
Seine Gefühle und seine Vergangenheit allerdings müssen wir nicht mit ihm ergründen, denn Crazy Heart verzichtet aufs Psychologisieren und lässt den Figuren ihre Geheimnisse. Sie sind, was sie sind. Und der Film schaut ihnen zu, voller Sympathie und Anteilnahme, aber immer mit einem gewissen respektvollen Abstand. Auf die Frage, welcher echte Name sich hinter seinem Pseudonym verbirgt, antwortet Blake: »I am Bad Blake. My tombstone will have my real name on it. Till then I’ll stay Bad.«
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