Film des Monats April: "Ida"
Im Polen des Jahres 1962 will die 18-jährige Novizin Anna, die als Waisenkind aufgewachsen ist, ihr Nonnengelübde ablegen. Doch vorher soll sie nach dem Willen ihrer Äbtissin ihre einzige Verwandte kennenlernen. Anna reist in die Stadt zu Wanda, der Schwester ihrer Mutter. Die innerlich zerrissene, ehemals linientreue stalinistische Richterin eröffnet Anna, dass sie jüdischer Herkunft und ihr wahrer Name Ida ist. Auf einer gemeinsamen Spurensuche nach ihrer Herkunft wird ihr klar, dass ihre Eltern während des Zweiten Weltkriegs von einem polnischen Bauern ermordet wurden. Aus Verzweiflung nimmt sich Wanda das Leben. Nach der Rückkehr ins Kloster will Ida ihr Gelübde nicht ablegen. Sie sucht die Nähe zu Lis, einem Jazzmusiker, den sie während ihrer Reise zu ihren Wurzeln kennengelernt hat. Durch die Erfahrungen mit ihrer Tante und mit dem jungen Mann verändert, trifft sie noch einmal eine überraschende Entscheidung.
In kunstvoll ausgeleuchteten Schwarz-Weiß-Aufnahmen im klassischen Academy-Format entwirft der Film ein vielschichtiges Porträt der polnischen Nachkriegsgeschichte. Das Erbe des Holocaust, der Stalinismus, Antisemitismus und Schuld, Glaube und die Suche nach Identität verschränken sich auf vielfältige Weise. Politische Verhältnisse, religiöse Traditionen und individuelle Lebensentwürfe werden in poetischen Bildern miteinander verknüpft, so dass Idas widersprüchliche Gefühle zwischen Klostererziehung und schmerzhafter Erkundung ihrer Herkunft intensiv spürbar werden. Durch die sorgfältig ausgewählte Musik von J. S. Bach bis John Coltrane wird diese Wirkung noch verstärkt. So entfaltet der Film eine existenzielle Kraft weit über die zeitgeschichtliche Situation hinaus. Selbstzerstörerische Verzweiflung oder fromme Weltflucht, bürgerliches Familienleben oder unaufgebbare Sehnsucht nach Gerechtigkeit: Die Lektion der Geschichte hält alle Optionen offen und fordert zur eigenen Entscheidung heraus.
Start am 10. 4.
... zur Filmkritik von Rudolf Worschech
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