Kritik zu Ich & Orson Welles
Richard Linklater auf Zeitreise ins Theatermilieu der dreißiger Jahre: Orson Welles macht mit einer Shakespeare-Inszenierung Furore und entdeckt Teenie-Star Zac Efron (»Highschool Musical«) für die Bühne, beziehungsweise das große Kino
Am Ende steht der 22-jährige Orson Welles am Bühnenrand des von ihm gegründeten Mercury Theatre, der Vorhang zu seiner ersten Inszenierung, in der er natürlich auch eine zentrale Rolle übernommen hat, ist gefallen, der tosende Applaus verklungen, und er fragt sich: »How am I going to top this?« Das ist die Schlüsselfrage, die über dem ganzen Leben des Wunderkinds Welles hängt: Was kann noch kommen, wenn man so früh im Leben schon so hoch triumphiert. Vier Jahre später sollte sich dieser Moment noch einmal wiederholen, in einem anderen Medium, mit seinem furiosen Filmdebüt »Citizen Kane«.
Für Überraschungen ist der Indie-Regisseur Richard Linklater immer wieder gut, dieses Mal also ein Film, der 1937 im Theatermilieu spielt, nach »The Newton Boys« der zweite Ausflug in die Historie, für einen Regisseur, der seine Geschichten ansonsten konsequent aus einem sehr gegenwärtigen Lebensgefühl destilliert. Aus der Perspektive des 17-jährigen Schülers Richard erzählt »Ich & Orson Welles« von der letzten Probenwoche und der Premiere von Welles' legendärer Inszenierung von Shakespeares »Julius Caesar«. Von der New Yorker Straße weg wird Richard engagiert, als Ersatz für einen anderen Schauspieler, der, wie so viele vor und nach ihm, zum Spielball der Launen des despotischen Regisseurs wurde, und augenblicklich erliegt er dem verführerischen Zauber des kreativen Theaterchaos, und mit ihm die Zuschauer.
Obwohl »Ich & Orson Welles« von der Bühnenatmosphäre geprägt ist, entwickelt sich aus der Dynamik unter den Mitgliedern des Mercury-Ensembles eine ähnlich mitreißende Unmittelbarkeit, wie unter den Slackern von Linklaters früheren Filmen. So wird »Ich & Orson Welles« zur Hommage an die Energien des Theaters im Allgemeinen, und die Visionen des jungen Welles' im Besonderen. Welles ist das Licht, um das die Motten kreisen, gespielt wird er auf kongeniale Weise von Christian McKay, der ihn zuvor schon in der Off-Broadway One-Man-Show »Rosebud: The Lives of Orson Welles« verkörpert hat. In seiner ersten Kinohauptrolle lässt er den jungen Welles zwischen magnetischer Präsenz und pompösem Ego oszillieren, zwischen sprühender Kreativität und manischem Streben nach Perfektion, zwischen manipulativer Verführungskunst und rücksichtsloser Ausbeutung. Basierend auf Robert Kaplows Roman schleust Linklater unter das historisch verbriefte Personal der Inszenierung (unter anderen James Tupper als Joseph Cotton) zwei fiktive Figuren: die Produktionssekretärin Sonja (Claire Danes) und den jungen Schauspielnovizen Richard, gespielt von Zac Efron, der hier den Sprung nimmt vom »Highschool Musical« zum Shakespeare-Theater.
Dabei tut Linklater gut daran, die Proben vergleichsweise nüchtern zu halten, denn umso gewaltiger wirkt am Ende die wuchtige Modernität der Welles'schen Inszenierung mit ihren zeitgenössischen Kostümen, den Anspielungen auf den Nationalsozialismus, dem kargen Bühnenraum. Fast könnte man glauben, es mit einem Dokumentarfilm zu tun zu haben, oder gar live dabei zu sein, in einem Moment, in dem Orson Welles Theatergeschichte geschrieben hat.
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