Kritik zu The Liverpool Goalie
Norwegisches Pubertätsdrama mit humorvollen Untertönen, in dem ein Junge zwischen Schülermobbing, unschuldiger Liebe und Fußballsammelkarten im Zentrum steht
Das Leben ist, was man daraus macht. Ein Satz so groß wie banal. Doch in der Pubertät will man davon gar nichts hören. Dabei sind es nicht die nervigen Eltern, die überall Gefahr sehen und ihre Kinder so lange wie möglich kleinhalten wollen. Es ist auch nicht das aufkeimende Interesse am anderen Geschlecht und die Frage, was einmal werden soll, erst recht nicht. Das Schwierigste an der Pubertät sind die vielen Möglichkeiten, die sich ständig aufdrängen, die vielen Entscheidungen, die man ständig fällen muss im Großen und im Kleinen. Und das, wo man so etwas wie Weitblick doch noch gar nicht gelernt hat. Eine selbstbestimmte Orientierungslosigkeit, das ist die pubertäre Depression.
Und in der steckt Jo, ein kleiner Junge, der nicht gerade aussieht wie Zac Efron, dessen alleinerziehende Mutter zögerlich dabei ist, sich zu verlieben, und der von größeren Mitschülern drangsaliert wird. Als auch noch ein neues hübsches Mädchen in die Klasse kommt, ist die Verwirrung perfekt. Hätte er wenigstens den Goalie von Liverpool, dann könnte so etwas wie Coolness in sein Leben Einzug halten.
Arild Andresen inszeniert den Film sehr geschickt zwischen Jugend- und Erwachsenendrama, spart nicht an sexuellen Anspielungen und untergründigem Witz und spielt all die absurden Möglichkeiten durch, die tagtäglich so durch das pubertäre Gehirn rauschen. Vor allem wenn es einer Bedrohung ausgesetzt ist. In bedrängendem Zeitraffer wird Jo zum unschlagbaren Fußballer, zum bewunderten Liebespartner, zum Rächer, aber auch zum Prügelknaben, Einsiedler und Todgeweihten. Drastische Vorstellungen, wie sie der Pubertät entsprechen, in der Sehnsucht und Angst kaum voneinander zu trennen sind. Mut wird schnell zu Übermut und Eifer zu Versagen. Als der Liverpool Goalie endlich auftaucht, hat er die Enttäuschung gleich im Schlepptau. Denn der Liverpool Goalie ist nichts weiter als eine seltene Fußballsammelkarte, die jeder will und die keiner bekommt. Doch dann, als Jo ihn endlich hat, ist er Teil einer neuen Kartenlieferung und damit in jedem zweiten Paket.
Arild Andresen erspart sich und uns den moralischen Zeigefinger. Vielmehr setzt er auf dramatischen Realismus und Humor. Der hässliche Junge und das hübsche Mädchen, das nicht weiß, wie hübsch es ist, die schüchterne Mutter, die sich nach Liebe sehnt und sich nicht traut, sie zu leben, und schließlich der ach so erfolgreiche Bruder seines besten Freundes, der sich als Versager entpuppt – sie alle sind zwischen Erfolg, Täuschung und Enttäuschung gefangen. Alle denken, dass der Bruder von Jos bestem Freund ein erfolgreicher junger Fußballer mit Aussicht auf einen Profivertrag sei. In Wirklichkeit aber hat er dem Druck nicht standgehalten. Er war nicht im Ausland, sondern in der Psychiatrie, was der Vater, Trainer der Jugend, geheim halten wollte. Ebenso wie Jos Mutter ihren Liebhaber. Indem Andresen das Geflecht pubertärer Lügen auch auf die Erwachsenenwelt ausdehnt, nimmt er die Probleme von Jugendlichen ernst. Das Ergebnis ist ein leichter, unangestrengter Film, der ohne pädagogischen Druck zum Nachdenken anregt.
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