Traum des Lebens
Die Karriere des amerikanischen Regisseurs Terrence Malick ist eine der seltsamsten, die es in der Filmgeschichte gibt: In den ersten 30 Jahren nach seinem aufsehenerregenden Debütfilm Badlands drehte er lediglich drei Filme, darunter The Thin Red Line, sein Film über den Krieg im Pazifik, mit dem er 1999 auf der Berlinale den Goldenen Bären gewann. Mit dem Erreichen des Rentenalters aber hat der mittlerweile 71-Jährige sein Arbeitstempo plötzlich angezogen: Knight of Cups (Der Ritter der Kelche), den er nun im Rahmen der 65. Filmfestspiele von Berlin vorstellte, ist bereits der vierte Film, den er im Ablauf der letzten zehn Jahre fertig stellte. Und trotzdem hat Malick es geschafft, seinen Legendenstatus zu erhalten. Jeder seiner Filme wird mit Hochspannung erwartet und obwohl der Regisseur selbst sich traditionell allen öffentlichen Terminen verweigert und weder auf Pressekonferenzen noch auf dem Roten Teppich erscheint, liefern seine Filme mit ihrem Star-Aufgebot jedem Festival, das sich mit einer Malick-Premiere schmücken kann, einen willkommenen Höhepunkt.
Gefeiert wurden am Premierenabend auf der Berlinale dann auch vor allem die Stars: Christian Bale, der in Knight of Cups die Hauptrolle spielt, und Natalie Portman, die eine seiner Geliebten verkörpert. Bale stellt einen in Los Angeles wohnenden Drehbuchautor dar, der sein Leben hinterfragt und auf der Suche ist nach Sinn und dem Glück in der Liebe. Wie schon in seinen letzten Filmen Tree of Life und To the Wonder zeigt Malick seine Helden in Szenen, die allesamt wie Träume gefilmt sind, fragmentarisch, mit fließenden, assoziativen Übergängen und Zeitsprüngen. Es gibt keine Dialoge. Stattdessen sprechen die Figuren aus dem Off Texte, die sich wie Stellen aus Tagebüchern oder Briefen anhören. Dieser Filmstil, der an ein langes Poem erinnert, ist nicht jedermanns Sache und dementsprechend zurückhaltend fielen die Reaktionen des Berlinale-Publikums aus. Knight of Cups polarisiert: wo die einen von einem „konfusen Machwerk“ sprechen und keinerlei Sinn in der Handlung erkennen können, fühlen andere, dass ihnen hier aus der Seele gesprochen wird und loben eine „Perle der essayistischen Filmkunst“.
Ob Knight of Cups Chancen auf den Goldenen Bären hat? Der Präsident der diesjährigen Jury, Darren Aronofsky, ist seinerseits einer der großen Eigensinnigen der Filmbranche, dem Malicks Interesse an spirituellen Fragen nicht fremd ist. Dass Aronofsky mit Natalie Portman in der Hauptrolle seines Films Black Swan seinen bislang größten Erfolg feierte, bringt ihm Malicks neuestes Werk sicher auch näher.
Unter den bislang präsentierten Beiträgen des Berlinale-Wettbewerbs ragt Knight of Cups in jedem Fall als möglicher Kandidat heraus. Konkurrenz erwächst ihm weder von Werner Herzogs Wüstenfilm Queen of the Dessert mit Nicole Kidman, den das Berlinale-Publikum als unfreiwillige Parodie auf Lawrence of Arabia wahrnahm, noch von Isabel Coixets Nobody wants the Night, der seine historische Erzählung über weiblichen Pioniergeist auf ähnliche Weise mehr lächerlich als nachvollziehbar machte. Neben dem Überraschungserfolg des deutschen Regisseurs Sebastian Schipper, dessen in einem Take gedrehter Viktoria in aller Munde ist, machte besonders auch der Beitrag aus Guatemala, Ixcanul von sich reden. Regisseur Jayro Bustamente drehte mit Laiendarstellern, die als indigene Kaffebauern im Wesentlichen sich selbst spielen, die Geschichte einer ungewollten Schwangerschaft. Jenseits von folkloristische Klischees über Armut und Schamanenzauber ist ihm ein packender Film gelungen, der die komplexe Lebenslage seiner Protagonisten zwischen Tradition und Moderne wunderbar genau einfängt. Es ist gut vorstellbar, dass bei der Wahl des Goldenen Bären einmal mehr ein Außenseiterfilm wie Ixcanul einem Regiealtmeister wie Terrence Malick vorgezogen wird.
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