Kritik zu American Gangster

Trailer englisch © Universal Pictures

Ridley Scotts Gangsterfilm ist ein Lehrstück der politischen Ökonomie

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In den achtziger Jahren veränderte der amerikanische Gangsterfilm radikal seine Charaktere. Er erzählte nicht mehr von tragischen Volkshelden oder von rüden Herrenclubs, nicht mehr von den Gangstern, die die Hintertreppe des amerikanischen Traums nehmen, nicht mehr von den mythischen Mafia-Familien und nicht mehr von finsteren Außenseitern. Der amerikanische Gangsterfilm erzählte nun auch von "bürgerlichen" Verbrechern.

Filme wie »Goodfellas«, »Casino« oder »City Hall« zeigten perfekte Geldmaschinen, allfällige Korruption, hässliche Geschäfte und hässliche Gewalt. Sie handelten nicht mehr von Gangstern im Kapitalismus, sondern vom Kapitalismus des Gangstertums. Einer der genauesten Chronisten des Gangstertums als blutiger Opportunismus ist der Journalist, Buch- und Filmautor Nicholas Pileggi. Mit dem Buch »Wiseguy«, das Martin Scorsese als »Goodfellas« verfilmte, fasste er seine Erfahrungen mit dem "gewöhnlichen" Verbrechen zusammen, mit den neurotischen Gewalttätern und gerissenen kleinen Geschäftsleuten, die in den Boom-Jahren ideale Bedingungen vorfanden und einen modernen Mittelstand des organisierten Verbrechens bildeten. »City Hall« zeigte, wie sich ihr Prinzip von Abhängigkeit, Dienstleistung, Bedrohung und Korruption nahtlos in der Politik fortsetzt.

Pileggi war es auch, der seinen Kollegen Mark Jacobson mit Frank Lucas zusammenbrachte, dem legendären afroamerikanischen Gangster der siebziger Jahre. Es entstand das Buch »The Return of Superfly«, die Geschichte einer exemplarischen Karriere, die den Protagonisten von bitterer Armut und rassistischer Gewalt im Süden zum mächtigen Drogendealer in New York führte. Bei der Verfilmung des Berichts unter dem Titel »American Gangster« fungierte Pileggi als Executive Producer, seine Handschrift ist in Ridley Scotts Film nicht zu übersehen.

Es ist der Gangsterfilm als Lehrstück der politischen Ökonomie und Tiefenpsychologie ihrer Nutznießer. Frank Lucas' Ideen sind so einfach wie genial. Der Angriff auf das System erfolgt von einer unerwarteten Seite her: Lucas ist der erste Afroamerikaner, der in den siebziger Jahren in das traditionelle Mafia-Geschäft des Drogenhandels einsteigt. Er holt den Stoff direkt aus Vietnam und bedient sich der amerikanischen Armee dafür. Es ist das Marktprinzip eines perfekten Branding: Den besten Stoff unter eigenem Namen zum besten Preis anbieten und sich eine Monopolstellung sichern. Zwei Dinge sind es, die ihn ganz schnell nach oben bringen. Die beinahe grenzenlose Korruption der Polizei, der Armee und der Politik in den siebziger Jahren und die Anwendung von Gewalt ohne das geringste Zögern. Dabei führt Frank Lucas das Leben eines mehr oder weniger unauffälligen Bürgers, schart seine Brüder und Cousins um sich und geriert sich als Wohltäter.

Ridley Scott fächert die Geschichte des Gangsters nicht in analytische Episoden auf, sondern gibt ihr eine klassische Dramaturgie: das Duell zweier Männer, die sich ebenso verbissen wie respektvoll bis zum Ende bekämpfen. Da ist der Gangster Frank Lucas, den Denzel Washington als einen intelligenten Geschäftsmann von Geschmack gibt, der den Pimp-Look des Ghettos verabscheut und ein neues Selbstbewusstsein verkörpert – er wäre sicher ein Idol des Neoliberalismus und der afroamerikanischen Emanzipation geworden, hätte er eine andere Ware als das zerstörerische Heroin gewählt. Und da ist der Cop, der sich gerade eine Scheidungsschlacht mit seiner Frau liefert, einer der wenigen, die sich nicht kaufen lassen, und deswegen zunehmend isoliert und obsessiv in seiner selbst gewählten Aufgabe; Russell Crowe spielt ihn in gebremstem Schmuddellook, ein "Held" ist das auch nicht.

Ridley Scott gelingt das Kunststück, diese klassische Kino-Konstellation mit einem kritischen Zeitbild bis in die Details der Ausstattung und die Musik-Zitate und einer Parabel des Aufstiegs zu verbinden. Er lässt seinen Frank Lucas als den »richtigen Mann zur richtigen Zeit am richtigen Ort« erscheinen. Dass man keine klammheimliche Sympathie mit ihm entwickelt, dafür sorgen Denzel Washingtons zurückhaltendes Spiel und die wenigen, aber drastischen Blicke auf seine Opfer. Damit verbunden ist eine Revision mehrerer Kino-Mythen der siebziger Jahre. So wie Frank Lucas dem Black-Gangster-Klischee der Blaxploitation Movies widerspricht, widerspricht auch Richie Roberts dem Klischee des dirty cop, der am liebsten großkalibrige Waffen bei sich führt und Sätze wie »Make my day« zwischen den Zähnen hat. Beide, der Gangster und der Polizist, sind verdammt nahe dran, ganz normale Männer zu sein.

Erst das macht das Ungeheuerliche der Geschichte deutlich. Lucas ist gewiss schuldig, aber er ist nicht das Böse; Roberts bringt ihn zur Strecke, aber es wird sich nichts verändern. Am Ende, so klärt man uns auf, hat Roberts den Polizeidienst quittiert und ist Strafverteidiger geworden. Und sein erster Klient war Frank Lucas, der wegen seiner Kooperation bei der Verfolgung korrupter Polizisten nach 15 Jahren in die Freiheit entlassen wird. Das organisierte Verbrechen hat längst erneut Gestalt und Methode geändert.

Vielleicht ahnen wir, als der Gangster der siebziger Jahre auf die Straße der Gegenwart tritt, die Gegenwart eines neuen Frank Lucas, der ebenso geschickt den Zusammenhang von Krieg und Drogenelend zu nutzen weiß. Man kann einen Film wie diesen auch mit Naomi Klein lesen. Ridley Scott hat einen aktuellen Film über die Geschichte der Gangster und der Geschäfte gedreht.

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