Disney+: »Nightbitch«

englisch © Searchlight Pictures

Häusliches Unglück

Was sich unter der harmlos klingenden Ankündigung von »Baby Book Class« verbirgt, entpuppt sich als der wahre Horror: Ein Mann mit Gitarre sitzt in der Kinderabteilung der Bibliothek und singt mit betulicher Heiterkeit Liedermacher-Hits von gestern. Alle sollen mitsingen. Da sitzen sie nun, die Mütter mit ihren zweijährigen Kindern, von denen die einen laut und falsch mitsingen, die anderen dösen, und die dritten als Hyperaktive nur mühsam in Schacht gehalten werden. Die Gesichter der Mütter in dieser Runde geben alles wieder, was Mutterschaft so bereit hält: angestrengte Freude, tiefes Erschöpftsein und viel allgemeines Unwohlgefühl.

In dieser Runde findet sich auch die von Amy Adams gespielte »Mother« wieder und empfindet tiefe Reue darüber, dass sie ihre Künstlerinnenkarriere für eine Existenz als Hausfrau und Mutter aufgab. Die Zeit mit ihrem reizenden Zweijährigen gleicht einem körperschindenden Tagwerk: man sieht sie bei der Ausführung der immer gleichen Bewegungen, bei der Frühstückszubereitung, beim Einkaufen, bei den gemeinsamen Mahlzeiten mit dem Sohn am Kindertisch, beim quälenden Prozess des Zubettbringens und Einschlafens. Dabei ist sie keine Alleinerziehende. Am Wochenende kommt der Gatte (Scoot McNairy) nach Hause, der behauptet, er würde so gern mit seiner Frau tauschen. Er hat keine Ahnung, wovon er redet. Aber Amy Adams' Mutterfigur ist selbst zu erschöpft und genervt, um ihm zu erklären, was das Hausfrau-und-Mutter-Sein so zermürbend macht. Ist es die Isolation, die damit einhergeht, dass tagein-tagaus das einzige Gegenüber ein Zweijähriger ist? Ist es das permanente Verfügbar-sein-Müssen, das kaum erlaubt, dass man eine richtige Dusche nimmt? Oder die Tatsache, dass man quasi physisch zu einer Einheit mit dem Kind verschmilzt, das man füttert, pflegt und säubert? Oder die Blindheit der Gesellschaft rundherum für die wahnsinnige Anstrengung, die das alles darstellt?

So eindrücklich schildert Heller diesen Zustand, dass man richtiggehend erleichtert ist, als die Mutter an sich Zeichen einer Verwandlung bemerkt: Haare am Rücken, einen geschärften Geruchssinn und einen großen Appetit auf Fleisch. Als Zuschauer fiebert man unwillkürlich für das Tier in der Frau. Aber als sie sich das erste Mal richtig in eine Hündin verwandelt und durch die Straßen läuft, wird deutlich, dass der Film selbst mit dieser Metapher (die Vorlage ist ein »Magischer Realismus«-Roman von Rachel Yoder) nur wenig anzufangen weiß. Ähnliches gilt auch für den Kreis der Mütter aus der »Baby Book Class«, mit denen sich allzu kurze Momente der komplizenhaften Solidarität ergeben. Andererseits hat es die Mutter im Zentrum natürlich auch verdient, dass sich für ein Mal alles auf sie konzentriert.

Meinung zum Thema

Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns

Mit dieser Frage versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt