Kritik zu Riefenstahl

© Majestic Filmverleih

2024
Original-Titel: 
Riefenstahl
Filmstart in Deutschland: 
31.10.2024
L: 
115 Min
FSK: 
12

RAF, Rechtsextremismus, zuletzt das schwierige Werk von Joseph Beuys: Andres Veiel ist ein ebenso furchtloser wie kluger Dokumentarfilmer. Jetzt hat er sich mit einer der umstrittensten Figuren der jüngeren deutschen Kulturgeschichte beschäftigt

Bewertung: 4
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Ist die Auseinandersetzung mit der Person Leni Riefenstahl, abseits des rein filmischen Diskurses, heute noch relevant? Wie eng Riefenstahl mit dem NS-Regime verstrickt war und dass sie sehr wohl über dessen Verbrechen Bescheid wusste, ist mittlerweile gut belegt. Zuletzt, 2020, ist beispielsweise das Buch »Leni Riefenstahl – Karriere einer Täterin« von Nina Gladitz erschienen, die bereits 1982 in der WDR-Dokumentation »Zeit des Schweigens und der Dunkelheit« Vorwürfe gegen Riefenstahl erhoben hatte; auch die Arte-Dokumentation »Leni Riefenstahl – Das Ende eines Mythos« von Michael Kloft rekapitulierte 2020 die Vorwürfe, mit Gladitz als Interviewpartnerin. Warum also nun die Dokumentation »Riefenstahl«? Zum einen mag es, national wie international, weiterhin Menschen geben, die das Werk von Riefenstahl allzu unkritisch sehen, zum anderen ist der Film von Andres Veiel auch eine Auseinandersetzung mit der Art und Weise, wie Leni Riefenstahl jahrzehntelang die Lüge aufrechterhielt, sie habe von den Verbrechen der Nazis nichts gewusst und sei nur an künstlerischer Arbeit interessiert gewesen.

Entstanden ist der Film durch die Initiative von Sandra Maischberger, die Leni Riefenstahl 2002 interviewt hatte. Der Umstand, aus ihr nicht wirklich etwas herausgelockt zu haben, veranlasste sie dazu, sich um Riefenstahls Nachlass zu bemühen, der 2016 an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz gegangen war. Gemeinsam mit Regisseur Andres Veiel ist ein Dokumentarfilm entstanden, der komplett aus seinem Material heraus gedacht ist. »Riefenstahl« kommt ohne kommentierende Interviews aus, nur gelegentlich gibt eine Offstimme knappe Hintergrundinformationen. Auch einen linearen Aufbau gibt es nicht, der Film springt hin und her zwischen unterschiedlichen Zeitabschnitten und verschiedensten Dokumenten, neben Filmausschnitten und alten Interviews werden auch Briefe, private Videoaufnahmen und Telefonate präsentiert, die Riefenstahl aufzeichnete. 

Wie ein Puzzle setzt der Film die Biografie von Riefenstahl zusammen und fordert die Zuschauenden zur aufmerksamen und kritischen Beobachtung heraus. Riefenstahls Lügen werden durch geschickte Montage aufgezeigt. Wenn sie etwa in einem Interview sagt, in »Triumph des Willens« gebe es keine Rassenideologie, enttarnt ein Filmausschnitt dies direkt im Anschluss als Unwahrheit. Ohne Anspruch auf endgültige Deutung spürt »Riefenstahl« dem Charakter seiner Protagonistin und der Faszination für sie nach und unterstreicht noch einmal mit neuen Materialien, wie Riefenstahl mit dem NS-Regime verbunden war. Dokumente belegen unter anderem, dass sie bei einem Dreh an der Front die Erschießung von Juden miterlebt hat und für die Arbeit an »Tiefland Sinti & Roma« als Komparsen nutzte, die sie angeblich alle später wiedergesehen habe, die aber nachweislich im KZ gestorben sind. Gerade die privaten Gespräche, die nun erstmals veröffentlicht werden, zeigen zudem, wie stark Riefenstahl auch selbst Anhängerin faschistischen Gedankenguts war.

Riefenstahls Leben gleicht einer ständigen Verzerrung. So verdeutlicht der Film auch, dass die Manuskripte zu ihren Memoiren sich deutlich von der Schlussfassung unterscheiden; Aufnahmen zeigen, wie sie sich bei Interviews lautstark beschwert, weil sie nicht wollte, dass bestimmte Aussagen von ihr aufgenommen werden. Was die Beschäftigung damit so bedeutend macht: ihre ständige Selbstinszenierung, ihre Darstellung als Opfer und das Beharren auf offensichtlichen Lügen – Stichwort Fake News – erinnern immer wieder an heutige Personen und Diskussionen. Dass Riefenstahl so viel Zuspruch von Menschen erhielt, sei es durch Anrufe und Zuschriften Einzelner oder indem ihre Afrika-Reisen von großen Konzernen gesponsert wurden, zeigt außerdem, wie empfänglich die deutsche Gesellschaft zumindest in Teilen für Lügen und rechtes Gedankengut geblieben ist. Führt man sich das Programm von AfD & Co vor Augen, scheint sich das erschreckenderweise bis heute nicht geändert zu haben. Gerade mit dieser Verbindung ist »Riefenstahl« hochaktuell und eröffnet einen wichtigen Diskurs über die Manipulation von Medien und Öffentlichkeit.

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