Kritik zu Eureka
Der argentinische Regisseur Lisandro Alonso begibt sich in seinem neuen Film auf eine Reise durch Zeit und Raum zu unterschiedlichen Formen indigenen Lebens
Westerngenre, 4:3-Format, Schwarz-Weiß: in diesem Setting sieht man Viggo Mortensen in einer mexikanischen Stadt ankommen. Es fallen Pistolenschüsse, Schnapsleichen liegen auf dem Boden und ein Indigener spielt auf einem Berg stehend seine Trommel. Murphy, Mortensens Figur, ist auf der Suche nach seiner Tochter und geht dafür über Leichen. Als er sie schließlich gefunden hat und sie verkündet, ihm nicht zu folgen, scheint es zum Showdown zu kommen. Doch stattdessen der erste Bruch: Die Szenerie wechselt zu einer Polizeiwache, wo ein Fernseher steht, auf dem der Western läuft und vom Wetterbericht unterbrochen wird.
Mit solchen plötzlichen Brüchen spielt Lisandro Alonsos Film »Eureka« durchgängig. Auf die Eingangssequenz folgt ein Abschnitt, in dem man der indigenen Polizistin Alaina (Alaina Clifford) bei ihrer Arbeit in einem Reservat in South Dakota folgt. Als sie sich entscheidet, ihr Funkgerät auszuschalten, und verschwindet, wechselt die Handlung zu ihrer Nichte Sadie (Sadie Lapointe), die als Basketballtrainerin arbeitet und irgendwann zu ihrem Großvater geht, der ihr einen Trank verabreicht, durch den sie in eine höhere Sphäre gelangen soll. Und so ist man schließlich im Amazonas-Dschungel der 1970er Jahre angelangt und beobachtet zunächst einen indigenen Stamm und schließlich einen Goldsucher, der von Fieber geplagt umherirrt und am Ende von einem Colonel eingesammelt wird.
»Eureka« weist die typischen Merkmale des Slow Cinema auf: lange Einstellungen, eine distanzierte Beobachterperspektive und Szenerien, die eher auf Assoziationen denn auf eine Handlung aus sind. Das funktioniert vor allem im ersten Teil des Films gut. Im eiskalten Winter sieht man Alaina zu, wie sie gegen Alkohol- und Drogenmissbrauch sowie gewaltsame Auseinandersetzungen anzugehen versucht. Immer wieder bittet sie vergeblich um Verstärkung. Die langsame Erzählweise macht beim Zuschauen den zermürbenden Polizei-Alltag spürbar. Auch der assoziative Raum, mit dem der argentinische Regisseur Lisandro Alonso versucht, eine Verbindung zwischen unterschiedlichen historischen Zeiten und verschiedenen indigenen Bevölkerungsgruppen zu schaffen, funktioniert. Da ist das vermeintliche Klischeebild des Westerngenres, dem die Trostlosigkeit des Reservats gegenübergestellt wird.
Im letzten Teil sieht man dann eine scheinbar intakte indigene Gemeinschaft in ihrem Alltag und ihren Traditionen, doch die Szenerie wirkt entrückt und scheint immer mehr ins Mystische zu gehen. Die Erzählung ist durchdrungen von metaphysischen Motiven und Figuren, die einen Bogen zu den vorherigen Teilen schlagen. Wie stark die Assoziationen der meditativen Bilder hier wirken, mag davon abhängen, wie gut man einen Bezug zu den Formen der Mystik findet, die Lisandro Alonso in seinem Kino reflektiert. Ansonsten kann mit der Zeit doch die Monotonie überwiegen.
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