Kritik zu Bei uns heißt sie Hanka
Dokumentarfilmerin Grit Lemke beschäftigt sich mit Gegenwart und Geschichte der fast verlorenen sorbischen Kultur, zu der sie eigene biografische Verbindungen hat
Die Sorben sind mit Siedlungsgebieten in Südbrandenburg und Sachsen eine von vier anerkannten Minoritäten in Deutschland und vertreten mit geschätzt 20- bis 30 000 Sprecherinnen und Sprechern zwei Varietäten der slawischen Sprache. Einer von ihnen ist Kartoffelbauer Ignac Wjesela: ein stolzer Sorbe, der mit seiner Familie in dem Haus in Crostwitz lebt, wo am 10.5.1945 die traditionsreiche sorbische Interessenvertretung »Domowina« (Bund der Lausitzer Sorben) neu gegründet wurde.
Die in der Niederlausitz aufgewachsene Anna-Rosina Hanka Wjeselina hat neben bayerischen auch sorbische Wurzeln, die sie aber erst nach Bekanntschaft mit Ignac entdeckte und pflegte. Zur Drehzeit heiratet das Paar in traditioneller Manier mit einer ausufernden und ausgiebig gezeigten Feier, die dem Film die Grundstruktur gibt. Dazwischen eingeflochten sind andere Personen mit Aussagen zu Geschichte und Lebenswirklichkeit der Minderheit, deren einst starke kulturelle Präsenz durch Industrialisierung und NS-Zeit schwer beschädigt wurde. Zur DDR-Zeit gingen dann 16 Prozent des nordsorbischen Gebiets an den Kohletagebau verloren.
Heute gibt es mancherorts neues Selbstbewusstsein. Und während in einmontierten Filmausschnitten aus dem Jahr 1994 zwei alte Frauen in Tracht in slawisch geprägtem Deutsch erzählen, dass sie die deutsche Sprache erst in der Schule gelernt haben, ist es heute oft umgekehrt – und beim spät erlernten Sorbischen klingt der deutsche Akzent durch. Auch Regisseurin Grit Lemke (»Gundermann Revier«, 2019) wuchs mit der Abwertung des »Wendischen« in Floskeln und Stereotypen auf, bevor sie selbst die sorbischen Wurzeln ihrer Familie entdeckte und nun im Film (als Gritka Lemkoweje) bei der Erzählung dieser Identitätsfindung kunstfertig zwischen Deutsch und Sorbisch wechselt.
Im Film trifft Lemke neben überzeugten SorbInnen auch Menschen wie Petra Richter, die die offizielle Zweisprachigkeit der Region als Kulissenschwindel empfindet. Und sie lässt neben katholischen Prozessionen auch am Beispiel der Tracht die Zumutungen einer Tradition ahnen (jedenfalls für Frauen), wo die Brust einer jungen Frau ungefragt mit Kissen ausgestopft wird, um den Ansprüchen zu genügen. Es überrascht nicht, dass andere selbstbewusste junge Sorbinnen wie die Künstlerin Hella Stoletzki in Richtung Queerness oder Rap driften.
Bauer Ignac dagegen betont bei einer politischen Versammlung, dass die Sorben keine Minderheit, sondern ein »indigenes Volk« seien: eine historisch krude These, der dort niemand widerspricht. Auch der Film selbst thematisiert solche historischen Einordnungen nicht explizit, zeigt aber wenigstens knapp, wie beim Treffen einer sorbischen Delegation mit Friedrich Merz in Brüssel dann diplomatisch von »Regionalkulturen« gesprochen wird. Doch insgesamt hätten weniger Hochzeitstänze und mehr Geschichte und Politik den Film bereichert. Und auch die bedrohliche rechtslastige Grundstimmung der Region kommt mit dem kurzen Einblenden eines rechtsextremen Aufmarschs gen Ende viel zu kurz.
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