Interview: Chris Buck und Fawn Veerasunthorn über »Wish«
Chris Buck und Fawn Veerasunthorn (2023). © Getty Images/Disney/Alberto E. Rodriguez
Mrs. Veerasunthorn, Mr. Buck, »Wish« ist der 62. abendfüllende Animationsfilm aus den Walt Disney Studios und gleichzeitig derjenige, der zum hundertjährigen Jubiläum des Studios herauskommt. Gab es da bestimmte Do's and Don'ts, die Sie zu beachten hatten?
Buck: Das Do für uns war, das Jubiläum würdig zu begehen und die früheren Disney-Filme zu feiern. Es war mehr eine Aufforderung, die wir uns selber gesetzt hatten. Wir wollten dem Publikum etwas von dem zurückgeben, was wir selber als Zuschauer aus diesen Filmen und von Walt über all die Jahre mitgenommen hatten. Das war eher eine emotionale Liste.
Mr. Buck, Sie haben zur Vorbereitung Bilder aus all den 61 Filmen an eine Wand gepinnt, habe ich gerade von dem Produzenten Peter Del Vecho erfahren. Wie sind Sie auf die einzelnen Szenen gekommen? Aus der Erinnerung oder haben Sie die Filme alle noch einmal angeschaut?
Buck: Ja, wir haben sie tatsächlich alle noch einmal angeschaut um Schlüsselmomente zu finden und um uns die unterschiedlichen stilistischen Verfahrensweisen zu vergegenwärtigen. Dass es um das Konzept des Wünschens gehen sollte, war offensichtlich, auch wenn wir das zu Beginn noch nicht wussten – alles was wir wussten, war, dass wir eine Originalgeschichte erzählen wollten und dass die Musik bei der Charakterisierung eine große Rolle spielen würde. Wenn wir auf diese Abbildungen schauten, stellten wir fest, dass es dabei so viele Figuren gibt, die zum Himmel aufschauen und sich etwas wünschen, dabei ihre wahren Gefühle ausdrücken, zeigen, was sie wirklich wollen.
Mrs. Veerasunthorn, in Ihrem Fall vermittelte Ihnen das auch ein Bild von Amerika, weil Sie in einem anderen Teil der Welt aufwuchsen...
Veerasunthorn: Oh ja, ich wuchs in Thailand mit Disney-Filmen auf, zumal mit den musikalischen der neunziger Jahre. Sie brachten mir nicht nur Freude, sondern auch Hoffnung und Inspiration. Die Protagonisten hatten Träume in ihrem Herzen und sagten zu sich: ich habe keine Angst davor, meinen Träumen zu folgen. Das inspirierte mich in meinem Wunsch, bei Disney an Animationen zu arbeiten. Ich hatte keine Ahnung, wie ich das bewerkstelligen sollte, aber den Mut. Irgendwie schaffte ich dann den Sprung, den Ozean zu überqueren und in die USA zu kommen um dort Animation zu studieren.
Erinnern Sie Sich noch an Ihren ersten Disney-Film?
Veerasunthorn: Der erste war »Dumbo«, den sah ich mit meinen Geschwistern als VHS-Kassette. Die Farben und die Tatsache, dass ich sprechende Tiere sah, gaben meinen eigenen Träumen Auftrieb. Der Film, der nachhaltig wirkte, aber war »Die Schöne und das Biest« auf der großen Leinwand und das Wissen darum, wie viele Menschen daran gearbeitet hatten – vielleicht könnte ich einer davon werden?
Sie erinnern sich vermutlich auch noch an Ihren ersten Disney-Film, Mr. Buck?
Buck: Oh ja, das war »Pinocchio«, den ich als Vier- oder Fünfjähriger bei einer Wiederaufführung im Kino sah. Diese Achterbahn der Gefühle imponierte mir, dass Pinocchio so viel zu ertragen hatte. Ich sagte mir, wenn Pinocchio es übersteht, von einem Wal geschluckt zu werden, dann kann ich alles überleben. Das führte mich auf meinen Weg zur Animation; ich zeichnete viel und verliebte mich damals in die Animationskunst.
Wie haben Sie jetzt entschieden, was im Film sein sollte und was nicht? Bei 61 Filmen stelle ich mir das nicht so einfach vor...
Veerasunthorn: Wir begannen mit der Überlegung, dass dieser Film eine originale Geschichte erzählen sollte und für sich selber stehen könnte. Wir hatten keine Liste, was rein sollte und was nicht. Wir wussten, dass unsere Protagonistin Asha eine Gruppe von Freunden haben sollte, jüngere Menschen, die alle ihre Wünsche hatten. Wir fanden, es wäre schön, wenn es sieben Freunde wären, so wie die sieben Zwerge in »Schneewittchen«. Während des Produktionsprozesses kamen immer wieder Animatoren zu uns mit Ideen: könnte man in dieser Szene nicht in der rechten unteren Ecke diese Figur einfügen? Die Leute, die bei Disney arbeiten, sind alle große Disney-Fans, wir sind alle mit diesen Filmen aufgewachsen und verbinden so schöne Erinnerungen damit. Das war wie ein kollektiver Liebesbrief an Walt.
Im Presseheft wird einer der Beteiligten mit dem Satz zitiert, »die normale Technik passte nicht zum Stil des Films«. Mit 'normaler Technik' ist vermutlich die Computeranimation gemeint?
Buck: Ja – der Film entstand mit Hilfe der Computertechnik, allerdings ist es eine neue, die wir hier benutzen. Mit dem Film würdigen wir nicht nur unser filmisches Erbe, sondern auch die Techniken, die in all den Jahren angewendet wurden. Wir greifen zurück auf die Wasserfarben aus »Pinocchio« und »Schneewittchen« und kombinieren sie mit den Möglichkeiten des Computers, gerade im Bereich der Kameraarbeit. Wir können in diese wunderschönen Illustrationen hineinfahren oder auch um sie herum – und das in einem Format, das seit »Dornröschen« nicht mehr genutzt wurde von uns: 2,39:1. Das hat ein nostalgisches Gefühl, insofern es die Disney-Klassiker heraufbeschwört, wirkt gleichzeitig aber frisch.
Peter del Vecho verwies auf Experimente, die bei Disney in den letzten Jahren bei einer Reihe von Kurzfilmen gemacht wurden. Können Sie sagen, welche da wichtig waren?
Veerasunthorn: Kurzfilme wie »Paper Man«, »Feast« und »Far from the Tree« haben das ausprobiert, so gab es wichtige Hinweise zum Umgang mit dem Licht oder der Textur. Aber wir hatten das noch nie in einem abendfüllenden Spielfilm ausprobiert.
Bedeutet das, dass die Produktion dieses Films etwas oder sehr viel länger dauerte?
(beide lachen)
Buck: Das hätten sie Peter fragen sollen – aber er wird sagen 'nein'. Nein, dieser Film entstand im durchschnittlichen Zeitraum von vier Jahren. Wir wussten, dass wir diesen Zeitplan einhalten mussten, denn der Film sollte schließlich noch im Jubiläumsjahr in die Kinos kommen.
Wurden diese neuen Instrumente vor Produktionsbeginn geschaffen oder erst während des Produktionsprozesses?
Veerasunthorn: Frühzeitig in der Produktion, denn wir hatten ja den Wunsch, dass der Stil die Geschichte reflektiert. Bei Disney schätzt man die Herausforderung, aber es dauerte schon seine Zeit bis wir hatten, was wir brauchten. Da muss man immer die Balance finden zwischen dem, was der Computer machen will und dem, was der Künstler im Kopf hat.
Mussten Sie wegen dieser anderen Technik dabei auch auf ältere Animatoren zurückgreifen, die mit diesen Techniken vertraut waren? Ich vermute, bei Disney arbeiten heute viele Animationskünstler, die erst im Computerzeitalter angefangen haben.
Buck: Wir haben eine wundervolle Kombination aus Leuten in meinem Alter und sehr viel jüngeren. Das sorgt für eine große Spannweite an verschiedenen Fähigkeiten und unterschiedlichen Kenntnissen in den verschiedensten Technologien. Wir haben zum Glück noch eine ganze Reihe von Künstlern bei uns, die sich mit der handgezeichneten Animation auskennen. Zudem gibt es bei Disney das schöne System der Mentoren. Ich hatte die 'Nine Old Men', die mir das Handwerk beigebracht haben; Eric Larsen war mein Mentor, eigentlich der Mentor meiner ganzen Generation, und vermittelte nicht nur die Zeichen- sondern auch die Erzählkunst Walt Disneys. Wir machen das heute vielleicht nicht bewusst, aber weil wir alle so eng zusammenarbeiten, sind wir in einem permanenten Ideenaustausch.
Normalerweise liest man in den Credits von Animationsfilmen 'Regie und 'Co-Regie'. Das ist bei »Wish« anders. Was bedeutet das für die Zusammenarbeit zwischen Ihnen beiden, was war hier anders?
Veerasunthorn: Wir haben den ganzen Prozess gemeinsam durchgeführt. Ich selber komme aus der Story-Abteilung, Chris von der epischen Animation, wir haben das erste Mal bei »Frozen« zusammengearbeitet, das war meine erste Nennung in einem Film, und wollten gerne wieder zusammenarbeiten.
Der Schurke dieses Films ist zu Beginn recht charmant. War es je eine Frage, ob er am Ende sterben muss? Es gibt ja immer auch die Möglichkeit zur Umkehr und zur Erlösung – etwa, indem er das Buch der Schwarzen Magie verbrennt?
Buck: Wir wollten – in der Tradition der großen Disney-Schurken – einen Bösen schaffen, bei dem man – obwohl er sehr charmant ist – frühzeitig weiß, wer er ist, wo man seine großen Auftritte genießt, weil man weiß, man darf ihn gerne hassen.
Seine backstory, die Entwicklung von einem Mann, der seine Träume verwirklichen will, zum Tyrannen, sollte aber nie ausführlicher dargestellt werden?
Veerasunthorn: Wir haben uns über seine Vergangenheit schon Gedanken gemacht, wollten es aber nicht unnötig komplizieren.
Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns