Kritik zu Fast perfekte Weihnachten

© Splendid Film

2023
Original-Titel: 
Noël Joyeux
Filmstart in Deutschland: 
07.12.2023
L: 
97 Min
FSK: 
6

Schöne Bescherung: als Ersatz für seine verhinderten Kinder lädt ein weihnachtsbegeisterter Familienvater zwei einsame alte Leute zum Fest ein, was in dieser dialogstarken französischen Komödie nicht ohne lehrreiche Blessuren abläuft

Bewertung: 4
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Das Weihnachtsfest ist oft ein explosiver Kulminationspunkt widersprüchlicher Bedürfnisse. Zwischen Jahresend-Ermüdung, dem Wunsch nach Harmonie, und dem Stress der Vorbereitung lassen die Feiertage den Blutdruck steigen. Dann wiederum kann die Organisation eines Familientreffens auch viel Spaß machen, wie Ruheständler Vincent demonstriert. Liebevoll widmet er sich dem Tischschmuck, geschäftig läuft er durchs Haus, eher ungnädig beobachtet von Ehefrau Beatrice, die, eine Kunstlehrerin, lieber Blumenbilder malt. Als die erwachsenen Kinder kurzfristig absagen, stellt der enttäuschte Vincent die Tanne vor die Haustür und versenkt den Truthahn im Gefrierschrank. Nur um dann, angeregt durch die Predigt beim Besuch des Gottesdienstes, eine gute Tat begehen zu wollen, indem er einen einsamen alten Menschen einlädt. Vielleicht aber hat er nur keine Lust alleine mit der Ehefrau zu bleiben. 

Nach einem Spießrutenlauf durch die Altersheime wird ihm schließlich Monique, eine zarte alte Dame, offeriert. Doch sie fühlt sich in Vincents schönem Haus nicht so wohl, wie sie es sollte, denn sie sehnt sich nach ihrer Busenfreundin Jeanne. Statt aber Monique, wie von der genervten Beatrice gewünscht, wieder im Heim zu parken, kehrt Vincent mit beiden Frauen zurück. Und die bärbeißige Jeanne, die, oh Schreck, Jahrzehnte im Gefängnis verbrachte – als Wärterin, haha! – ist von einem anderen Kaliber als die schüchterne Monique.

Diese Komödie würde in großen Teilen auch als Kammerspiel funktionieren. Zwar verzichtet Regisseur Clement Michel nicht auf burleske Krachmacherei. Doch materielle Schäden halten sich bei dieser Bescherung in Grenzen: hie ein kleines Feuer, dort eine nachbarliche Verstörung. Die Stärke des Films liegt in seinen Dialogen, in denen zwischen Apéritif und Diner mit geschliffener Bosheit Dinge angetippt werden, bei denen sonst taktvolles Schweigen angebracht ist. 

Nicht nur die Wertigkeit von Geschenken und Deko und die Qualität des Essens reizen die Seniorinnen zu spitzen Bemerkungen. Während Vincent die Stimmung zu retten versucht, braucht die passiv-aggressive Beatrice nach einer Schätzung ihres Alters viele Zigaretten, um sich zu beruhigen. So werden, mal mit feinem Witz, mal mit schwarzem Humor die Narrenfreiheit, die tüdelige alte Menschen genießen, die Peinlichkeiten im Umgang mit Gebrechen, aber auch das entmündigende Verhalten ihrer Betreuer aufgespießt.

Jenseits des höflichen Schlagabtauschs entpuppt sich die Komödie schließlich als melancholische Spiegelung von mittelalten Menschen, die sich nicht alt fühlen, in sehr alten Menschen, die den Tod vor Augen haben. Aus dieser traurig-weisen Perspektive betrachtet, sind die Kümmernisse, die das Ehepaar unterschwellig beschäftigen, bloße Zeitverschwendung. Wie so oft in französischen Filmen bekommt das Publikum diese bittersüßen Lektionen mit leichtfüßiger Eleganz serviert. Und so dürfte auch diese Komödie wie zuletzt »Das Leben ist ein Fest« ein Anwärter auf ein deutsches Remake sein.

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