Kritik zu Air: Der große Wurf
Ein Marketing-Coup, der den Sportschuh zum Kulturobjekt machte. Matt Damon verkörpert den Marketing-Mann, aber sein »Objekt der Begierde«, Michael Jordan, bleibt so gut wie unsichtbar
In den frühen 70er Jahren entwickelte der Trainer Bill Bowerman einen Laufschuh speziell für den Langstreckenläufer Steve Prefontaine. Als Co-Gründer der Sportschuhmarke Nike revolutionierte er das Sportschuhgeschäft. Davon erzählte 1998 der Film »Without Limits«, unter der Regie von Robert Towne, mit Donald Sutherland in der Rolle des Schuhtüftlers. Jetzt gibt es einen neuen Film, über ein weiteres Kapitel der Firmengeschichte, wieder über einen speziell auf einen Sportler zugeschnittenen Schuh.
Gut zehn Jahre nach der Gründung war Nike im Basketballgeschäft weit abgeschlagen hinter der übermächtigen Konkurrenz der amerikanischen Converse und der deutschen Adidas-Marke. Eine harte Nuss für den Talent-Scout und fürs Nike-Basketball-Marketing zuständigen Sonny Vaccaro (Matt Damon). Wieder und wieder schaut er sich den Mitschnitt an, in dem ein gewisser Michael Jordan mit einem legendären Korbwurf den Last-Minute-Sieg für sein Team holte. Als er seine Bedeutung entschlüsselt hatte, überrascht er seinen Boss mit einer verwegenen Idee: Statt die knappen Mittel auf mehrere Spieler zu verteilen, will er das gesamte Budget auf eine Karte setzen, auf einen offensichtlich talentierten Achtzehnjährigen, der damals aber noch nicht mal sein erstes NBA-Spiel absolviert hatte. »Air – Der große Wurf« erzählt die klassische Geschichte des Underdogs, der gegen alle Wahrscheinlichkeit mit findigen Ideen und eiserner Entschlossenheit triumphiert.
Das Dream-Team ist zurück: In den Neunzigern verpassten die Freunde Ben Affleck und Matt Damon ihren stagnierenden Schauspielerkarrieren den entscheidenden Boost, mit ihrem Drehbuch zu »Good Will Hunting«, für das sie einen Oscar bekamen. Fast ein Vierteljahrhundert später haben sie wieder gemeinsam ein Drehbuch geschrieben, diesmal hat Ben Affleck Regie geführt, und die beiden Freunde stehen gemeinsam vor der Kamera, so wie zuletzt in »The Last Duel« von Ridley Scott. Wenn sich Matt Damon als Marketing-Manager Sonny Vaccaro und Ben Affleck als Firmengründer Phil Knight vor der Kamera kabbeln, hat man das Gefühl, dass da viel von ihrer echten Freundschafts- und Arbeitsbeziehung durchschlägt.
Auf wunderbare Weise ist »Air – Der große Wurf« ein Paradox: Ein Sportdrama über die Anfänge eines der berühmtesten Basketballspieler der Welt, den man einen ganzen Film lang nicht zu Gesicht bekommt. Ein Sportfilm, der nicht auf dem Feld und im Wettkampf spielt, sondern in Büros, Konferenzräumen und Werkstätten. Und ein Film, der spannend ist, obwohl der Ausgang der Geschichte bekannt ist, schließlich geht es um den »Air Jordan«, den heute berühmtesten Sportschuh der Welt. Es liegt eine flirrende Energie in der Luft, und das Zeitkolorit der 80er Jahre ist liebevoll bis in die letzte schräge Lockenperücke rekonstruiert. Am Ende steht ein Deal, der das Sportgeschäft für immer revolutioniert: Michael Jordan, der im Film immer nur von hinten oder im Anschnitt zu sehen ist, wird als erster Werbeträger an den Einnahmen beteiligt.
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