Kritik zu Ein Triumph
Regisseur Emmanuel Courcol, als Schauspieler und Drehbuchautor bekannt, erzählt von einer theatralen Resozialisierung: Fünf Häftlinge sollen unter der Regie von Kad Merad in »Warten auf Godot« auftreten
Es geht hitzig zu bei den Proben. Sie sind ein erbittertes Tauziehen. Eingangs stellten die fünf sich noch stur. Ihr Regisseur musste all seine Energie aufbieten, um sie zu motivieren. Es half, an ihren Stolz zu appellieren. Nun sind sie bei der Sache und ständig droht Streit. »Bist Du böse?«, fragt einer der Schauspielschüler, und der Lehrer glaubt, er meine ihn. Nein, protestiert der Darsteller, das ist mein Text!
Da merkt Etienne (Kad Merad), dass er zu ihnen durchgedrungen ist. Das Stück hat sie gepackt, die fünf Gefangenen werden all ihre Wut in ihre Rollen legen. Etienne, der selbst seit drei Jahren nicht mehr auf der Bühne stand, interessiert nicht, für welche Verbrechen sie einsitzen. Er sieht in ihnen fünf Schauspieler, deren natürliche Begabung um jeden Preis gefordert werden muss. Nachdem sie bei der Aufführung von Fabeln ihre Bühnentüchtigkeit bewiesen haben, ist der Ehrgeiz des Lehrers unwiderruflich geweckt. Jetzt will er mit ihnen Samuel Becketts »Warten auf Godot« aufführen. Jede Wahrscheinlichkeit spricht dagegen. Ein Stück ohne Handlung? Die Fabeln hatten wenigstens eine Moral! Aber Etiennes Logik ist einfach: Die fünf kennen sich mit dem Warten aus. Das Abwesende spielt in ihrem Leben die Hauptrolle.
Die Rolle des einsamen, engagierten Kulturvermittlers hat Kad Merad vor fünf Jahren schon einmal gespielt: als Violinist, der in »La Mélodie – Der Klang von Paris« eine freche, aufgeweckte Schulklasse aus einem sozialen Brennpunkt zur Konzertreife führen soll. Da stand ebenfalls die Aussöhnung mit der entfremdeten Tochter auf dem Programm. Der Mentor, den er damals verkörperte, war schüchtern, zäh und voller Demut. Etienne hingegen ist angriffslustig, fordernd, maßlos, handelt eigennütziger. Schön, wenn ein Schauspieler sich nicht wiederholt.
Es gilt, zahlreiche, bürokratische wie persönliche, Hürden zu überwinden. Die Fünferbande bleibt unberechenbar, Etiennes Unnachgiebigkeit stellt das Wohlwollen der Gefängnisdirektorin (Marina Hands) auf manch harte Probe. Eine Liebesgeschichte muss sich nicht zwischen ihnen anbahnen. Überhaupt gelingt es dem Film erstaunlich oft, nicht in die Falle der Unvermeidbarkeit zu tappen. Sein Titel scheint den Ausgang fahrlässig vorwegzunehmen, aber ganz so eindeutig ist er nicht. Die Bewährungsprobe für alle Beteiligten, auf die eine handelsübliche Komödie zusteuern würde, stellt sich bereits nach einer Dreiviertelstunde ein. Das Bühnendebüt der Ausgestoßenen ist ein voller Erfolg. Danach geht das Fiebern weiter, denn andere Theater melden Interesse an. Das Experiment geht auf Tournee, wobei die Wiederholung des Gelingens keine ausgemachte Sache ist. Für die Schauspieler ist es ohnehin ein Wechselbad der Gefühle, denn nach jedem Applaus müssen sie im Gefängnis die Demütigung erdulden, gefilzt zu werden. Als sich die Chance bietet, zum krönenden Abschluss im Odéon, dem Pariser Nationaltheater, zu gastieren, sind die Nerven zum Zerreißen gespannt. Beinahe wollte man den Filmtitel schon im Plural nehmen, aber das Finale hält eine gewaltige Überraschung bereit.
Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns