06/2009

In diesem Heft

Filmkritik

Für die einen sind Jarmusch-Filme unverbindliche Spielerei, Outlaw-Koketterien und späthippieske Streicheleinheiten für Selbstreferenzsüchtige. Für die anderen ist jede Einstellung aus "The Limits of Control" ein Kunstwerk, jede Dialogzeile Poesie
Im Vergleich zu Eichingers und Edels zwanzig Mal so teurem »Baader Meinhof Komplex« ganz zweifellos der interessantere Film – aber vielleicht tut ihm ein solcher Vergleich gar nicht gut. Ein kleiner Film, der seine Figuren nicht unter Action und Glamour begräbt, sondern die Erinnerung wieder öffnen will
Die große Verschwörung oder doch nur der private Fehltritt eines Abgeordneten? Auf jeden Fall ist »State of Play« ein spannender Mix aus Reporterdrama und Paranoiathriller – und ein Abgesang auf die Tugenden des Printjournalismus
Die Geschichte eines zwölfjährigen Mongolenjungenweiß durch imposante Naturpanoramen zu gefallen, ist aber wenig glaubwürdig und überzeugt als Coming-of-age-Story kaum: »Die Stimme des Adlers«
Ein gut aussehendes Berliner Pärchen sucht im Sardinien-Urlaub nach lifestylekompetenten Vorstellungen von der bürgerlichen Liebe und findet Regression und Zerfall: »Alle Anderen«
Eine junge Japanerin reist auf den Spuren ihrer bei einem Autounfall getöteten Eltern nach Bayern und trifft auf eine Familie, deren Oberhaupt ein Geheimnis mit sich herumträgt. Trotz dramaturgischer Schwächen besticht der vielversprechende Debütfilm »Der Rote Punkt« durch seine meditative Atmosphäre
Daniel Waltas Regiedebüt »Jakobs Bruder« schickt Klaus J. Behrendt und Christoph Maria Herbst als ungleiche und verzankte Brüder durch deutsche Lande. Die Brüder versöhnen sich, der Zuschauer scheidet im Zorn über sinnlos vergeudete Lebenszeit
Robert Langdon is back und wieder auf den Spuren der dunklen Geschichte der katholischen Kirche. Die Schnitzeljagd durch Rom, durch Gewölbe, geheime Gänge und das Innere des Vatikans stellt die Zeichenaufnahmefähigkeit des Zuschauers in »Illuminati« auf eine harte Probe
Eine – vielleicht – unschuldig verhaftete junge Frau bringt im Gefängnis einen Sohn zur Welt und lernt mit Hilfe einer Freundin und Geliebten im Müttertrakt zu überleben. »Löwenkäfig« ist eine präzise Milieustudie aus Argentinien über den Alltag inhaftierter Mütter
Klug komponierte Dokumentation um die Lebensgeschichte eines Hirnforschers. Biografie und theoretische Ausführungen verbinden sich zu einem beeindruckenden Beispiel grenzenloser Leidenschaft zur Wissenschaft
Alltag in einer Wiener Geburtsklinik: ein ebenso erhellender wie ergreifender Film über die Begegnung von institutioneller Routine und existenziellem Moment
Eine Komödie aus Ghana: Jenseits von Elendsklischees und Ethnokitsch erzählt der Film die alte Geschichte von zwei jungen Menschen, die sich allen Hindernissen zum Trotz am Ende doch kriegen
Zwei rivalisierende Supermarktangestellte kämpfen um die Beförderung zum Marktleiter: Tragikomödie, die nicht auf brüllenden Humor setzt, sondern auf eine hintersinnige Reflexion über kapitalistische Verdrängungsmechanismen. Wunderbar: die beiden Hauptdarsteller John C. Reilly und Sean William Scott
Eine geradezu durchtrieben schlaue Parabel über eine neuzeitliche Vertreibung aus dem Paradies und über das Glück als zunehmend verzweifelnde Weltverleugnung. »Home« ist ein schlaues und zutiefst ambivalentes Debüt über ein Paradies auf einer leeren Autobahn-Teilstrecke
Ein Dorfpolizist auf einer kleinen griechischen Insel auf der Spur des Verbrechens: »Kleine Verbrechen« ist eine burleske Kriminalkomödie für Hellenophile, ästhetisch an Fernsehmaßstäben orientiert
All der Schmerz, die Trauer, die Sehnsucht der Väter nach ihren Kindern steckt in dieser ebenso kämpferischen wie traurigen Dokumentation, die für die Väter das Recht fordert, mehr zu sein als nur der Erzeuger
Julie Delpys feministisch angehauchtes Porträt der ungarischen Adligen Erzebet Bathory, die angeblich in Jungfrauenblut zu baden pflegte, um ihre jugendliche Schönheit zu erhalten, fällt enttäuschend harmlos aus
Die Einstürzenden Neubauten im Ostberliner VEB Elektrokohle, 1989: Uli M. Schueppel macht in seinem Dokumentarfilm »Elektrokohle« aus einem kleinen Ereignis einen historischen Moment, indem er das Konzert als einen der vielen gesellschaftlichen Wendepunkte beschreibt
Los Angeles als Schauplatz mehrerer überlappender Geschichten, die vom Wunsch nach Einbürgerung ebenso erzählen wie von der Abschottung der USA. Dass die meisten Figuren dabei kaum ein Eigenleben entfalten können, lässt »Crossing Over« oft thesenhaft werden
Eine gelungene Annäherung an eine scheinbar ganz fremde Spezies – den Fußballschiedsrichter
In seiner neuen Komödie spielt MatthewMcConaughey abermals einen Herzensbrecher, der zur Monogamie bekehrt wird – diesmal mittels der Geister früherer Freundinnen, die ihn auf eine Zeitreise entführen. Auch dieser morbide Touch macht die vorhersehbare Romanze »Der Womanizer« nicht unterhaltsamer
Glawoggers psychedelisches Roadmovie steigert sich in einen wahren Spielrausch. Und folgt dramaturgisch einem Weg, der vorgegeben ist von magischen Pilzen und suggestiver Musik. »Contact High« ist ein schamloser Kinospaß
Der Erfinder des Intervallscheibenwischers wird in den sechziger Jahren von dem Unternehmen Ford ausgetrickst. Auf der Lebensgeschichte von Robert Kearns beruht das Filmdebüt »Flash of Genius« des Produzenten Marc Abraham. Er erzählt fesselnd die altmodische Variante eines Kampfes von David gegen Goliath, ohne die persönlichen Defizite der Hauptperson auszusparen

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