Kritik zu Die Gräfin
Eine mächtige Frau, die junge Mädchen umbringt, um in deren Blut zu baden – das ist die Legende der ungarischen Gräfin Erzebet Bathory. In ihrer zweiten Regiearbeit schlüpft Julie Delpy in die Rolle des weiblichen Dracula-Pendants
Im Jahr 2007 gelang der französischen Schauspielerin und Musikerin Julie Delpy (bekannt aus so unterschiedlichen Produktionen wie »Before Sunrise«, »Homo Faber« oder »Killing Zoe«) mit ihrer Komödie »2 Tage in Paris« ein autobiografisch angehauchtes, äußerst charmantes Regiedebüt. Dementsprechend hoch waren die Erwartungen, als man vernahm, Delpy würde sich in ihrem neuen Film der wahren Geschichte der ungarischen »Blutgräfin « Erzebet Bathory (1560-1614) annehmen. Die Serienmörderin ist angeblich für den Tod von mehr als 150 Mädchen verantwortlich und gilt als weibliche Variante des Vampirfürsten Dracula. Im 19. Jahrhundert wurde Bathorys Geschichte zum Stoff für zahlreiche literarische Bearbeitungen und dementsprechend oft war sie später Vorbild für blutrünstige Horrorfilme. Die Tatsache, dass Delpy selbst das Drehbuch schrieb, Regie führte, die Hauptrolle spielte und auch die Musik zum Film komponierte, ließ zudem einen obsessiv persönlichen Film vermuten.
Zu Beginn des 17. Jahrhunderts ist die Gräfin Bathory die mächtigste Frau im Land. Bei einem Fest lernt sie den viel jüngeren Istvan (Daniel Brühl) kennen und die beiden verlieben sich leidenschaftlich ineinander. Doch Istvans intriganter Vater Graf Thurzo (William Hurt) verbietet seinem Sohn den Umgang mit der Gräfin. Die verfällt daraufhin, getrieben von Enttäuschung und Sehnsucht nach Istvan, dem Wahn, im Blut jungfräulicher Mädchen zu baden, um wieder jugendliche Schönheit zu erlangen. Erst als sie dafür lebendig eingemauert wird, ist ihr bewusst, dass sie das Opfer männlicher Machtkämpfe wurde.
Die Werbung zum Film verspricht das Porträt einer faszinierenden modernen Frauenfigur. Auf der Pressekonferenz der diesjährigen Berlinale, auf der »Die Gräfin« uraufgeführt wurde, präsentierte sich Delpy witzig, sympathisch und selbstkritisch. So gab sie zu, mit ihrer Doppelrolle als Hauptdarstellerin und Regisseurin überfordert gewesen zu sein.
Ein mythisch aufgeladener großer Neuentwurf, wie ihn Francis Ford Coppola 1992 mit »Bram Stokers Dracula« vorgelegt hat, war bei dieser eher übersichtlichen Produktion sicher nicht zu erwarten. Doch einen klugen kleinen Horrorfilm mit einem deutlicheren feministischen Ansatz hat man sich von Delpy schon erhofft. Sicher finden sich in ihrem Film Reflexionen zur Rolle der Frau in unserer Gesellschaft und zum aktuellen Jugendwahn. Doch Delpy gibt sich viel zu bescheiden. Ihr fehlt der Mut zur Exploitation, zur großen Geste und zu drastischeren Übertreibungen. »Die Gräfin« will bestimmt kein derber Horrorfilm sein. Doch Genrefans werden sich naturgemäß von dem Stoff angesprochen fühlen und die Delpy gnadenlos an unbarmherzig vollbusigen Darstellerinnen wie Ingrit Pitt aus der 1970 entstandenen Hammer-Produktion »Comtesse des Grauens« messen. Daneben wirkt Julie Delpy in ihrem harmlosen Film wie eine schüchterne graue Maus.
Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns