The Day of the Locust – Der Tag der Heuschrecke
Die Welt unterhalb der riesigen Lettern des legendären Schriftzugs »Hollywoodland« ist ein einziges Katastrophengebiet. In den Straßen und Häusern von Los Angeles, in den Studios und Büros, den Bars und Bordellen, regieren Lügen und Illusionen, blanke Apathie und schließlich nur noch nackte Gewalt. Gleich zu Beginn erzählt seine Vermieterin dem gerade in L. A. angekommenen Set-Designer Tod Hackett von einem Erdbeben, das die Stadt vor einiger Zeit erschüttert hat. Der große Riss in einer der Wände seines Apartments ist zugleich Memento und Menetekel. Der Untergang ist unvermeidlich, auch wenn Tod erst einmal eine Blume in den Spalt schiebt.
John Schlesinger bleibt in seiner 1975 entstandenen Verfilmung von Nathanael Wests The Day of the Locust nah dran an dem Roman und entwickelt doch eine ganz eigene Vision. Er rückt diese bittere Geschichte von zerplatzten Träumen und zerstörerischen Leidenschaften noch näher an die Weltuntergangsvisionen von Malern wie Hieronymus Bosch, Pieter Brueghel dem Älteren und Francisco Goya heran.
Jede einzelne, von Schlesinger und seinem Kameramann Conrad Hall perfekt komponierte Einstellung steht nicht nur im Dienst einer Erzählung, die unaufhaltsam in Richtung Katastrophe strebt. Sie ist immer auch ein kleines Detail in dem großen Hollywood-Panorama, das Hall und Schlesinger hier mit der Kamera malen. Los Angeles: ein apokalyptisches Wimmelbild, in dem von der Traumfabrik und ihren Verlockungen entseelte Menschen ziellos dem Abgrund entgegentaumeln. Am Ende entladen sich dann auf der Straße vor Grauman’s Chinese Theatre all die angestauten Aggressionen. Eine Filmpremiere versinkt in Chaos und Gewalt. Hollywood frisst wie Goyas Saturn seine Kinder.
Sascha Westphal
USA 1975, John Schlesinger, mit Donald Sutherland, Karen Black, Burgess Meredith, William Atherton
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