Ausstellung »Alle Jahre wieder«
Die Schau im Stadtmuseum. © Stadtmuseum Münster
Es hat schon seinen Grund, weshalb es keinen überzeugenden Plural für den Begriff »Unikum« gibt. Nehmen wir Albert Mazzotti, der zwar denselben Vornamen wie sein Vater trug, aber nicht mit ihm zu verwechseln war. Der Senior hatte einigen Ruhm als Bildhauer errungen, und für ein paar Jahre trat der Junior in dessen Fußstapfen. Dann jedoch heiratete er die Tochter eines Kinobesitzers und wechselte entschlossen in diese Branche.
In Münster betrieb er jahrzehntelang das »Apollo« und die »Schauburg«. Seine Filmtheater waren gut besucht, obwohl ihre Akustik zu wünschen übrig ließ. In der Lobby des einen hingen Werbeplakate für die Toskana. Es hieß, er sei Ehrenbürger von Lucca. Im Münster war Mazzotti überaus beliebt; er gehörte zum Kolorit der Stadt. Natürlich durfte er nicht fehlen, als Ulrich Schamoni 1966 »Alle Jahre wieder« in der Universitätsstadt drehte. Mazzoti tritt als eines von vielen westfälischen Originalen auf, die den Film bevölkern. Darunter finden sich Kneipenbesitzer, rasende Reporter, ein Dechant und ein Stadtführer, die allesamt sich selbst spielen. Der Regisseur, der in Münster aufgewachsen war und nun einen abständigen Blick auf die Stadt warf, kannte sie entweder persönlich oder als Legende.
Eine Ausstellung im Stadtmuseum erinnert derzeit an die Dreharbeiten und schaut, welche Spuren sie in der Stadt hinterlassen haben. Die Schau ist klein und zugleich riesengroß. Ihr Radius umfasst die gesamte Innenstadt: Sie animiert, die Drehorte sogleich flanierend zu erkunden. Schau und Spaziergang sind in 14 Stationen aufgeteilt (»Zu Hause bei Mazzottis« ist Nummer sechs), sie umreißen eine verschmitzte filmische Kartographie und erzählen zugleich Stadtgeschichte. Die jeweiligen Filmszenen wurden auf Fotos mit Überlebenden oder heutigen Münsteraner Berühmtheiten nachgestellt. Das Bündnis, das der Film mit seinem Schauplatz einging, ist einzigartig eng. Der Spruch des Musiklehrers – »Entweder es regnet, die Glocken läuten, oder es wird hier eine Kneipe eröffnet« – hat die Folklore der Stadt als Dreiklang für Jahrzehnte geprägt.
Schamoni wählt die Erzählperspektive eines Werbefachmanns (gespielt von dem in Münster geborenen Hans Dieter Schwarze), der mit seiner Freundin zu Weihnachten in die Heimat zurückkehrt, um Familie, alte Freunde und seine Frau, von der er nicht geschieden ist, zu besuchen. Er ist eine Figur des Dazwischen, hängt seinen Jugenderinnerungen nach und ist dem Provinzleben doch entfremdet; wie auch der Film in einem reizvollen Dazwischen steckt. Er ist getragen vom bilderstürmenden Elan des Neuen Deutschen Films, aber die Radikalität, mit der 1968 die Abkehr vom Althergebrachten vollzogen wird, steht ihm noch nicht zu Gebot. Er geißelt die provinzielle Enge, entlarvt die Lebenslügen einer restaurativen Gesellschaft, ist aber zugleich fasziniert von der Robustheit des Lokalcharakters. Wenn Schamoni urigen Lebensweisheiten lauscht (»Gott gibt uns die Nüsse, aber er knackt sie nicht auf«) oder die Doornkaat-Seligkeit aufspießt (»Halb besoffen ist weggeschmissenes Geld«), wirft er einen tiefen Blick in die westfälische Seele.
Da Albert Mazzotti mit dem Regisseur befreundet war, durfte er ein Jahr später den fertigen Film exklusiv in der „Schauburg“ zeigen. Das Interesse der Münsteraner war enorm, aber die Begeisterung nicht einhellig. Zeitgenössische Artikel spiegeln das Unbehagen, das Münsteraner Kinogänger angesichts ihres filmischen Spiegelbilds beschlich. Nestbeschmutzung war ein naheliegender, verhohlener Vorwurf. Seither hat die Stadt ihren Frieden mit dem Film gemacht. Die »Schauburg« ist längst Geschichte, aber im prächtigen »Schlosstheater« wird er alljährlich zu Weihnachten gezeigt.
Die Ausstellung »Alle Jahre wieder in Münster« ist bis 27.2. im Stadtmuseum zu sehen.
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