Amazon: »The Tender Bar«
Acht Kinofilme hat George Clooney bislang inszeniert, und er scheint sich dabei an Steven Soderbergh zu orientieren: jeder Film ein neues Genre und ein neuer Look, vom schwarz-weißen Journalistendrama »Good Night, and Good Luck.« bis zur grellen Gesellschaftssatire »Suburbicon«. Ob er mit seinen Vielseitigkeitsambitionen auch künstlerisch so erfolgreich ist wie Soderbergh, sei dahingestellt. Mit der Memoiren-Verfilmung »The Tender Bar« jedenfalls folgt auf das spröde Science-Fiction-Kammerspiel »The Midnight Sky« eine heimelige Coming-of-Age-Story. Vom ewigen Eis der Arktis ins nostalgisch schimmernde Long Island der Siebziger.
Der Titel ist dabei Programm. Er spielt mit dem Begriff Bartender und umschreibt zugleich einen Hauptspielort der Geschichte (eine Bar) sowie die atmosphärische Grundstimmung: sanft. Wobei das untertrieben ist, denn einen undramatischeren Tonfall kann man sich für eine im New York der Siebziger spielende Jugendgeschichte kaum vorstellen. Im Mittelpunkt steht der neunjährige J. R. (Daniel Ranieri), der mit seiner mittellosen Mutter (Lily Rabe) notgedrungen zu seinem Großvater nach Long Island zieht (Christopher Lloyd als Grantler mit – natürlich – einem Herz aus Gold). In dessen Haus lebt auch J. R.s Onkel Charlie (Ben Affleck), der eine Bar namens »Dickens« betreibt. Der neugierige Junge scheint einen Großteil seiner Freizeit in dieser gemütlich-verrauchten Kneipe zu verbringen, deren Stammgäste ihn umgehend ins Herz schließen.
Leider gelingt es Clooney nicht, diesen Szenen eine authentisch anmutende Atmosphäre zu geben. Die Sprüche der Barflys wirken selten wirklich witzig, sondern meistens gekünstelt, die Figuren bleiben flach und eigentümlich harmlos. Niemand ist Alkoholiker, keiner benimmt sich je daneben. Als Schule fürs Leben fehlt es dieser Vorstadtspelunke an kantigen »Lehrern« und ambivalenten Lektionen.
Das gilt insbesondere auch für Onkel Charlie, der für J. R. wenig überraschend zu einem Ersatzvater wird, dessen Ratschläge jedoch bemerkenswert schlicht sind. Anstatt Charlie und seine Weisheiten wenigstens ansatzweise zu brechen, inszeniert Clooney ihn in sepiafarbenem Licht als durch und durch wundervollen Tresenphilosophen. Diese Mischung aus Verzagtheit und Banalitäten zieht sich durch den gesamten Film, der in mehr oder weniger zusammenhängenden Anekdoten von J. R.s Erwachsenwerden erzählt.
Viel passiert dabei jenseits von Schulveranstaltungen und lustigen Autofahrten nicht. Sogar eine Konfrontation des älter gewordenen J. R. mit seinem gewalttätigen Alkoholiker-Vater bricht unvermittelt ab. J. R.s eigene Trinkgewohnheiten bleiben angedeutet.
Im Buch erkennt Moehringer die Enge seines Umfelds, nennt die Bar seines Onkels »ein U-Boot, das auf dem Meeresgrund gefangen ist«. Diese wissende Distanz, die das Bittere hinter der scheinbaren Idylle sichtbar macht, fehlt dem Film; er hält aber auch nicht die überhöhende Perspektive eines Kindes durch. So bleibt sogar die Nostalgie der Inszenierung eine Behauptung. Das Ergebnis ist Kitsch.
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