Kritik zu Monos – Zwischen Himmel und Hölle
Verlorene Unschuld: In Alejandro Landes' Film trainiert eine Gruppe von minderjährigen Guerilla-Kämpfern für den Umsturz, als ein tragischer Unfall die Gruppenloyalitäten infrage stellt
Irgendwo in Südamerika, tief in den waldigen Bergen, hoch über den Wolken. Eine Gruppe von acht Jugendlichen spielt auf einem ausladenden Plateau, von dem man weit ins Land blickt, ein rätselhaftes Spiel. Mit verbundenen Augen passen sich zwei Teams einen Ball hin und her. Nur durch das Ausrufen ihrer kindlichen Spitznamen – Schlumpf, Lady, Wolf, Rambo – können sie den Standpunkt der anderen Spieler bestimmen. Im Hintergrund ragen drohend Ruinen auf, vielleicht Überbleibsel einer alten Zivilisation. Schon bald stellt sich heraus: Das hier ist kein Kinderspiel, sondern Training für den Ernstfall und die Jugendgruppe kein Ferienzeltlager, sondern die Guerilla-Truppe Monos, die sich unter der Ägide einer nicht näher bestimmten »Organisation« auf den revolutionären Umsturz vorbereitet. Indirekt Teil der Gruppe ist außerdem Sara Watson, eine Amerikanerin, die von den Monos als Geisel gehalten wird.
Bereits die ersten Minuten von Regisseur Alejandro Landes' Film kündigen die Ankunft eines filmischen Ereignisses an. »Monos« pulsiert förmlich vor drängender, künstlerischer Energie, überwältigt mit schier unglaublichen Bildern und einem atemberaubenden Soundtrack. Für die Klangebene zeichnet die Londoner Musikerin Mica Levi verantwortlich, die bereits mit ihrem Score für Jonathan Glazers »Under The Skin« begeisterte. Hier steuert sie ihr Meisterstück bei: Epische Synthie-Klänge unterbrochen von rhythmischem Lärm versetzen die Zuschauer von Beginn an in die euphorische, nervöse Aufbruchsstimmung der jugendlichen Krieger, deuten aber auch bereits auf die moralischen Abgründe hin, die sich im Laufe der Handlung noch auftun werden.
Der parabelhafte Film beginnt mit der Ankunft des strengen Ausbilders der Truppe. Nachdem er sich von der körperlichen Fitness seiner Untergebenen und der Unversehrtheit der amerikanischen Geisel überzeugt hat, hinterlässt er den Monos eine wertvolle Leihgabe der »Organisation«: eine Milchkuh. Die Kuh soll den jugendlichen Kämpfern reichhaltigere Nahrung verschaffen, darf aber keinesfalls zu Schaden kommen, so betont er. Kaum hat die Autoritätsfigur das Lager verlassen, wird deutlich, dass es mit der Disziplin innerhalb der Gruppe doch in etwa so bestellt ist, wie bei den meisten Halbwüchsigen – mit dem Unterschied, dass diese mit Maschinengewehren ausgestattet sind: psychedelische Pilze werden konsumiert, es wird untereinander geknutscht und wild mit den Knarren in die Luft geschossen. Dann führt eine solche Unachtsamkeit plötzlich zu einem dramatischen Unfall und die zuvor geschlossene Gruppe beginnt, ihre Loyalitäten infrage zu stellen.
»Monos« lässt sich als erzählerischer Hybrid zwischen »Herr der Fliegen«, »Herz der Finsternis« und dessen berühmter filmischer Verarbeitung »Apocalypse Now« verorten, aber diese Verweise werden dem Film nicht gerecht. Landes' Film aber ist pures Kino, ein psychoaktiver, audiovisueller Trip, der seine Spannung eher aus einer meisterhaften Kontrolle über die Affektmechanismen des Mediums bezieht als aus Plotentwicklung. In seiner fieberhaften Intensität und berauschenden Unmittelbarkeit ist »Monos« vielleicht am nächsten mit Herzogs »Aguirre – Der Zorn Gottes« verwandt, nicht zuletzt wegen der intensiven Auseinandersetzung mit der Dschungel-Landschaft.
Das bedeutet allerdings nicht, dass »Monos« nicht auch auf narrativer Ebene überzeugen würde: Besonders die zweite Hälfte des Films überrascht mit immer neuen Wendungen, die sich mit alptraumhafter Logik entfalten. Getragen wird der Film schließlich von den herausragenden Performances seiner zentralen Jungschauspieler, die jeder einzelnen Figur eine emotionale Entwicklung verleihen, auch ohne dass das Drehbuch uns allzu viel über ihre Hintergründe verraten würde. »Monos« ist Meditation über verlorene Unschuld, ein asymmetrischer Kriegsfilm, ein düsteres Märchen, eine kraftvolle Metapher für das Erwachsenwerden in den Wirren des 21. Jahrhunderts und vieles mehr.
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