Interview: Robert Eggers über seinen Film »Der Leuchtturm«
Robert Eggers am Set von »The Witch« (2015). © A24
Mr. Eggers, wie in Ihrem Debütfilm »The Witch« haben Sie Sich auch diesmal von Folklore aus New England inspirieren lassen, diesmal aber Mythen der Seefahrt hinzugefügt. War Ihnen von Anfang an klar, dass es eine Kombination dieser beiden Traditionen werden sollte?
Ich wusste, es wird eine Geschichte über Wahnsinn und Klaustrophobie mit übernatürlichen Momenten. Ich wollte unbedingt eine Szene darin haben, in der eine Meerjungfrau am Strand angespült wird. Aber dann überlegte ich mir, dass in die Figur des älteren Mannes, verkörpert von Willem Dafoe, etwas von klassischer Mythologie einfließen sollte. Als mein Bruder Max und ich das Drehbuch vorbereiteten, vertieften wir uns dann stärker in klassische Mythologie und die Folklore New Englands und der britischen Inseln.
Im Nachspann wird als Inspiration neben Herman Melville auch der Name einer mir unbekannten Frau genannt…
Ja, Melville, aber auch Robert Louis Stevenson waren große Einflüsse. auf die Dialoge, zumal für bestimmte Ausdrücke. Sarah Oren Jewitt war eine Autorin aus Maine, die in derselben Zeit arbeitete, in der der Film spielt. Sie machte Interviews mit Seeleuten und Farmern und schrieb darauf basierend ihre Geschichten im Dialekt. Das ist der Dialekt, den wir der Figur, die Willem Dafoe verkörpert, gegeben haben, während die Sprechweise von Robert Pattinson eher auf Figuren basierte, die an Land tätig waren.
Das gleißende Licht des Leuchtturms spielt eine zentrale Rolle im Film. Ich nehme an, sie haben es künstlich verstärkt?
Ziemlich stark! Im Original war es einfach nicht grell genug für unsere Zwecke. Hätten wir diesen Film zu Zeiten des frühen Tonfilms gedreht, hätten wir die Flamme durch künstliches Licht von außen verstärken müssen. Hier war uns an natürlichem Licht gelegen. Deshalb bauten wir 600 Watt starke Halogenlampen in die Öllampen ein.
Am Ende, wenn Robert Pattinson direkt in das Licht starrt, wirkt es, als würde das Bild ins Negativ umkippen.
Mein Kameramann Jarin Blaschke orientierte sich an einem alten »Dr. Jekyll & Mr. Hyde«-Film. Wir arbeiteten dabei mit einem Filter, der besonders lichtempfindlich ist und alles, was im Original rot ist, in Schwarz umwandelt. Deswegen werden auch die Gesichtsfarben der Personen dunkler. Wir arbeiteten zuerst mit einem Blaufilter, den wir dann durch einen Rotfilter ersetzten, wodurch das Blut auf seinem Gesicht verschwand. Es kippt nicht ganz ins Negative um, wird aber durch diesen Wechsel verfremdet.
War diese Szene auch eine Hommage an das Finale von Robert Aldrichs »Kiss me Deadly«, wenn die femme fatale die »Büchse der Pandora« öffnet?
Das ist schon komisch, denn Ari Aster, der eine frühere Schnittfassung des Films sah, rief aus, »Was für ein »Kiss me Deadly«-Ende!« Ich war ganz überrascht, denn ich musste zugeben, dass ich den Film nicht gesehen hatte. Dasselbe gilt für Curtis Harringtons »Night Tide« mit Dennis Hopper, in dem es eine Szene mit einer Meerjungfrau gibt, die unserer ähnlich ist.
Der Film hat etwas sehr Physisches. Wie weit war das real? Manchen Regisseuren, etwa Guillermo del Toro, ist es ja wichtig, dass das am Drehort zu spüren ist und nicht erst nachträglich im Computer entsteht.
Zu denen gehöre ich auch. CGI sind ein gutes Werkzeug, um nachträglich Fehler auszubügeln oder etwas zu verbessern, aber wenn bei mir eine Ziege im Film vorkommt (wie in »The Witch«), dann arbeite ich mit einer lebenden Ziege. Auch die eindrucksvollen Wellen, die hier bei dem Sturm über dem Leuchtturm niedergehen, sind real und wurden nur ein wenig digital verstärkt. Überhaupt war das ganze Wetter echt.
Gleich zu Beginn, wenn die beiden Männer an Land gehen, kreisen über ihnen viele Seemöwen. Mussten Sie auf die warten oder wurden die digital eingefügt?
Es gibt zwei dramatische Momente, wo wir Möwen in Großaufnahmen sehen, dabei haben wir mit Puppen und nicht digital gearbeitet. Alle anderen Möwen sind real. Wir hatten drei trainierte Möwen – und was die Möwen am Himmel anbelangt, so bemerkten die schnell, dass unser Filmset eine Nahrungsquelle war. Also blieben sie immer in der Nähe und wir konnten viele Einstellungen durch ihre Anwesenheit aufwerten. Wir mussten also nicht auf sie warten – sie warteten auf uns.
Die Kameraarbeit ist hier anders als bei »The Witch«. Sie nähern sich häufiger einer Szenerie an oder aber bewegen sich von ihr fort – die Kamera hat eine Autonomie.
Das ist richtig, »The Witch« war der Versuch, subtil zu sein, was wir bei »Der Leuchtturm« ganz und gar nicht vorhatten. Hier gibt es Kamerabewegungen, die zu schreien scheinen: »Schaut her! Coole Kamerabewegung!« Dieser Film hat etwas Groteskes, das war eine bewusste Entscheidung. Ob sie eine gute war, ist eine andere Frage (lacht).
Sie haben den Film in einem Format vergangener Zeiten gedreht. Das Vollbildformat wurde in den letzten Jahren öfter verwendet, etwa von Andrea Arnold in »American Honey« oder Pawel Pawlikowski in »Cold War«. Waren für Sie noch andere Gründe für diese Wahl ausschlaggebend als die Betonung der Enge im Leuchtturm?
Unser Format ist 1:1,19, ein frühes Tonfilmformat. Ich bin der Auffassung, dass dieser Film und G.W. Pabsts »Kameradschaft« die einzigen Filme sind, für die das passt, denn ich habe den vertikalen Leuchtturm, Pabst seine Bergwerksstollen. Fritz Lang hat dieses Format ebenfalls meisterhaft ausgenutzt, aber ich bin mir sicher, er hätte gerne mehr Raum auf der Leinwand zur Verfügung gehabt.
War das mit bestimmten Herausforderungen für die Schauspieler verbunden? Dass sie sich etwa immer recht nah zueinander positionieren mussten?
Das hat ihnen nichts ausgemacht. Da wir alles gebaut haben für den Film, einschließlich des 25 Meter hohen Leuchtturms, konnten wir das alles kontrollieren. Einige der Möbelstücke wurden speziell so angefertigt, dass wir mit bestimmten Objektiven drehen konnten.
Haben Sie den Schauspielern auch diesmal bestimmtes Schriftgut zur Vorbereitung gegeben anstatt sie auf andere Filme zu verweisen?
Ja, sowohl Primär- als auch Sekundärliteratur. Warum soll ich mich mit dem Schatten begnügen, wenn ich etwas Eigenes erschaffen kann? Ich gebe allerdings zu, dass ich dem Darsteller Ralph Ineson für »The Witch« Dowshenkos Film »Erde« gegeben habe. Aber darin agieren keine Schauspieler, sondern ukrainische Bauern.
»The Witch« war ein Film über weibliche Selbstermächtigung. Hier geht es um männliche Selbstzerstörung. Das war aber vermutlich nicht als bewusstes Spiegelbild angelegt?
Nein, das war keine bewusste Entscheidung – aber es hat sich nun einmal so ergeben.
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