Kritik zu When Animals dream
Die Schöne als Biest: Ein Underdog-Girl aus Dänemark entdeckt das Rebellische und Tierische in sich. Jonas Alexander Arnby erneuert das Werwolf-Horrorkino, indem er Fantasy und Realismus, Arthouse und Genre miteinander verknüpft
Etwas ist nicht in Ordnung mit ihr. Oder ist die Welt, die sie umgibt, aus den Fugen? Die 19-jährige Marie, von Sonia Suhl verkörpert als raue, etwas verhuschte Schönheit aus einem Küstenort im Norden Dänemarks, zeigt seltsame Körperreaktionen: Rötungen der Haut, Schmerzen im Rücken. Es hat den Anschein, als ob sie allergisch reagiere auf ihr Heimatdorf, in dem sie ein recht trostloses Leben führt. Sie lebt bei ihren Eltern, einem Zuhause der stillen Verzweiflung. Der Vater, hervorragend gespielt von Lars Mikkelsen, dem älteren Bruder von Star Mads Mikkelsen, ist ein anständiger Mann, dem aber Erschöpfung und Schuld ins Gesicht geschrieben sind. Die Mutter, die gewiss einmal eine große Schönheit war, ist durch eine mysteriöse Krankheit an den Rollstuhl gefesselt.
Auch Maries neuer Arbeitsplatz ist ein Ort des Unbehagens: eine kalte, nasse, stinkende Fischfabrik voller taffer und manchmal tumber Arbeiter. Bei einem fiesen Initiationsritus wird Marie in einen Pool mit Fischresten gestoßen. Diese Szene der Demütigung erinnert ein wenig an die Prom-Night-Passage in Brian De Palmas »Carrie«. Und tatsächlich stellen Palmas Klassiker sowie Tomas Alfredsons »Let the Right One In« einen großen Einfluss auf »When Animals Dream« dar. Jonas Alexander Arnby variiert auf Dänisch die Sensibilität und die Rachelust des weiblichen Teenagers gegenüber einer restriktiven Gesellschaft. Kameramann Niels Thastum fängt in beeindruckenden, zwischen Realismus und Magie oszillierenden Bildern die Enge des Küstenortes ein, sowie die Ferne, die das Meer verspricht.
Die Enge der dörflichen Gemeinschaft, die Enge des elterlichen Heims und auch die Enge des eigenen Körpers scheint Marie sprengen zu wollen. Es brodelt gefährlich in ihrem Inneren. Rebellion und sexuelle Lust lassen ihren Körper pulsieren. Das Werwolf-Subgenre hat in den Filmen wie »I Was A Teenage Werewolf« oder »Teen Wolf« schon immer gern die körperliche und seelische Veränderung der Teenager abgebildet. Der merkwürdig aparten Marie beginnen am Körper Haare zu wachsen. Und Arnby verleiht dieser Behaarung einen gewissen Glamour: eine schöne Geste der Revolte in unserer Zeit, in der es keine Schambehaarung mehr geben darf.
Arnbys Film ist ein solide gemachter, zeitgemäßer Horrorfilm. Ein geschickt gesetzter Spannungsbogen etwa stellt die Frage, wem das verletzliche Monstermädchen vertrauen kann. Dem alternativen Freak aus der Fischfabrik oder ihrem gut aussehenden neuen Freund Daniel. Trotz einer gewissen nordischen Poesie und Arthouse-Ambition gelingt es Arnby aber nur selten, die Genrekoventionen zu überwinden, wie es Alfredson mit »Let The Right One In« gelang. Nur in einer Hinsicht transzendiert Arnby den Werwolf-Film auf grandiose Weise: im Porträt von Maries Mutter (Sonja Richter): diese Figur, wenn sie im Rollstuhl durch das Dorf geschoben wird, wenn sie aufs Meer hinausblickt, irgendwie wissend, irgendwie versehrt, irgendwie gefährlich: Sie vermittelt eine tiefen Moment des Horrors, der weit über den Film selbst hinauswirkt.
Kommentare
Originaltitel und deutsche Titel
Weshalb nennt man denn When Animals Dream bei seinem deutschen Verleihtitel, während So Finster die Nacht bei seinem englischen (nicht einmal Originaltitel) Titel genannt wird? Ich bin zwar kein Verfechter von deutschen Titeln, aber ich finde innerhalb eines Artikels sollte Konsistenz herrschen.
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