Kritik zu Das Geheimnis der Bäume
Der französische Regisseur Luc Jacquet (Die Reise der Pinguine) geht mit dem Biologen Francis Hallé in den tropischen Urwald, um sich und uns dessen Schönheiten und komplexe Ökologie nahebringen zu lassen
Siebenhundert Jahre braucht es, bis aus einem Stück Brachland wieder ein Urwald wird. So berichtet es der emeritierte französische Biologieprofessor Francis Hallé in diesem Film. Und er muss es wissen. Hallé ist Spezialist für tropische Regenwälder und hat sie sein Leben lang am Boden und aus der Luft erforscht. Er ist auch ein talentierter Zeichner der Waldflora. Und unser Reiseführer in diesem in Frankreich produzierten und in Gabun und Peru gedrehten Naturfilm, der die Entwicklung von den ersten Keimlingen bis zur ausgereiften tropischen Primärwaldgesellschaft als imaginäre Zeitreise durchspielt.
Regisseur des Film ist Luc Jacquet, der seine filmische Laufbahn dem Verhältnis von Natur und Menschen widmete und 2006 für Die Reise der Pinguine den Dokumentarfilm-Oscar erhielt. Er handelte sich dafür aber auch – wie für den Spielfilmnachfolger Der Fuchs und das Mädchen (2007) – den Vorwurf vermenschelnder Sentimentalität ein. Nun feiert Jacquet mit Leidenschaft die Schönheit und die Wunder einer Landschaft, die mehr als je von menschlichem Raubbau bedroht ist. Dabei gibt es auch im Dschungel selbstverständlich die im Naturfilm mittlerweile zum Standard gehörenden beeindruckenden Vogelschautotalen und Makroeinblicke, Zeitraffer- und Zeitlupensequenzen, hier ergänzt durch ins Filmbild gezeichnete Animationen, die wie im Lehrfilm biologische oder ökologische Prozesse verdeutlichen und illustrieren. Dazu das – wohl unvermeidliche – genreübliche musikalische Großfeuer.
»Überall, wo ein bisschen Licht ist, ist ein Blatt da, das es einfängt. Und überall, wo ein Blatt ist, ist jemand, der es haben will«, beschreibt Hallé den Überlebenskampf im Dschungel in schlichter Sprache, wobei er gerne auch selbst im blauen Drillich zwischen den Baumriesen herumstapft oder sich tarzanmäßig aus einem Wipfel abseilt. Es ist diese persönliche Ansprache (statt des üblichen anonymen Kommentars) durch den knorrigen Wissenschaftler, die diesen Film von ähnlich gelagerten wie zuletzt Das grüne Wunder – Unser Wald unterscheidet. Auch die leicht knarzige schweizerdeutsche Synchronstimme von Bruno Ganz passt gut zu diesem Protagonisten.
Wer sich nicht gut im Dschungel und der Botanik auskennt, kann hier einiges über das Leben der fest verstandorteten Waldbewohner und ihrer Nachbarn (wie die Würgefeige oder die Lianen) lernen, die sich wie wir Menschen auch untereinander verständigen, berauben und bekämpfen. Das ist aufschlussreich und spannend, dennoch kommen die naturwissenschaftlichen Details und Zusammenhänge gerade bei manchen für Laien wundersamen Geschehnissen so dürftig weg, dass doch eher ein Gefühl von Verblüffung im esoterischen Märchenwald statt Erkenntnis zurückbleibt. Man müsste nachforschen, wie viel solcher Verkürzungen einer Verschlimmbesserung durch die Übersetzung zu verantworten ist. Die Veränderung des Originaltitels Il était une forêt in das deutsche Das Geheimnis der Bäume lässt das jedenfalls gut möglich scheinen – und erleichtert Verwechslungen. Denn es gibt auch einen gleichnamigen halbstündigen sogenannten »Full-Dome«-Film für Kinder aus dem Jahr 2012. Der heißt im englischen Original The Life of Trees.
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