Ein kleiner Schritt für das Kino
Die Umkleidekabinen an der Strandpromenade von Deauville tragen berühmte Namen. Sie sind nach Stars und Regisseuren benannt, die auf dem dortigen Festival zu Gast waren: Rock Hudson, Shirley MacLaine, James Mason, Liz Taylor, George Stevens und vielen anderen. Bei meinem ersten Besuch fiel mir ein Name auf, der nicht recht in diese Reihe passen wollte und den Puristen in mir irritierte: Buzz Aldrin.
Als zweiter Mensch den Mond betreten zu haben, sichert einem zweifellos einen bedeutenderen Platz in der Geschichte als, sagen wir mal, der Vorzug, in »Ein Pyjama für zwei« mitgespielt oder »Mein großer Freund Shane« inszeniert zu haben. Aber Filmkünstler wird man dadurch noch nicht. Eine solche Karriere strebte der mit unerbittlicher Rüstigkeit gesegnete Astronaut offenkundig nicht an; warum auch. Er brachte einen Hauch realen Heldentums in das Fest der Illusionen. Wie kleinlich meine Vorbehalte waren, zeigte sich Jahre später, als er vom Berufsverband der amerikanischen Kameraleute zum Ehrenmitglied ernannt wurde: Er war derjenige, der Neil Armstrongs erste Schritte auf dem Mond filmte.
Heute liegt dieses Ereignis exakt 45 Jahre zurück. Die Erinnerung daran ist noch in einer ganzen Generation lebendig (mein Vater weckte uns, wie Millionen andere, damit wir das Schauspiel vor dem Fernseher mitverfolgen konnten) und hat die folgenden geprägt. Aber einen Spielfilm hat es nicht hervorgebracht.Das Mercury-Programm war kinotauglich (»Der Stoff, aus dem Helden sind«), ebenso wie Apollo 13. Aber über Apollo 11 gibt es nur einen TV-Film. Das muss man nicht als himmelschreiendes Versäumnis beklagen. Aber dennoch ist es der Frage würdig, warum die tatsächliche Mondlandung noch keinen Filmemacher inspiriert hat, wo sie doch als Fiktion seit Georges Méliès im Kino zahllose Male vollzogen wurde. Mit ihrem Erreichen war die Destination Moon offenbar kein Sehnsuchtsort mehr. Gehört das Ereignis vielleicht zu sehr der Realität an, als dass es der Phantasie noch Raum ließe? Ist es in Fernsehdokumentationen und in Norman Mailers Reportage "Auf dem Mond ein Feuer" schon auserzählt? Die Ehrfurcht vor einem epochalen Ereignis wird nicht an dem Zögern schuld sein – von ihr haben sich Produzenten nur selten in die Schranken weisen lassen. Wahrscheinlich liegt es daran, dass die Mission ohne Komplikationen ablief, die ein späteres Publikum überraschen könnten. Vielleicht folgte sie zu genau einem festgelegten Drehbuch; Neil Armstrongs epochaler Satz lässt es vermuten. Anhänger einschlägiger Verschwörungstheorien sind ohnehin überzeugt, dass die Mondlandung von Stanley Kubrick in einem Filmstudio inszeniert wurde. Abgesehen davon, dass dieser Regisseur sowieso maßlos überschätzt wird, missfällt mir der Gedanke, dass Buzz Aldrin in diesem Fall seine Ehrenmitgliedschaft zurückgeben müsste.
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