Kritik zu Cinderella the Cat

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Das Märchen vom Aschenputtel vom Kopf auf die Füße gestellt: Der Animationsfilm spielt in einem durch Drogenhandel verwahrlosten Neapel

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Die Uhren gehen anders im Märchen. Ihr Zeitmaß ist die Zuversicht. Jahre können binnen eines einzigen Satzes verstreichen; Träume und Wünsche bleiben von ihnen unversehrt. Aber auch die Bösewichte sind geduldig, bleiben sich und ihren finsteren Plänen treu.

Die Zeit handelt freizügig in dieser ­modernen Aschenputtel-Variation, ihr Antlitz ist vielgestaltig animiert. Das ­Neapel, in dem die berühmte Fabel spielt, mutet retrofuturistisch an: Moden, Design und Klänge der Jahrzehnte zwischen der Swing-Ära und einer vagen Gegenwart sind zu munterer Koexistenz verdammt. Das passt zum Mythos der Hafenstadt, die den Fortschritt sucht und sich von der Vergangenheit nicht lösen will. Hier wurde in der Mitte des 17. Jahrhunderts erstmals die bis dahin mündlich überlieferte Geschichte vom Aschenputtel aufgeschrieben und gedruckt. Für die Bevölkerung, in deren Lebenswelt sich Aristokratie und Armut auf engstem Raum begegneten, mochte die Geschichte von Cenerentola eine besondere Relevanz besessen haben.

Im Film heißt sie Mia und ist drei Jahre alt, als ihr Vater zu Beginn seine großen Pläne für den Hafen vorstellt. Er soll ein Zentrum der Wissenschaft und der Erinnerung werden. Auf einem prächtigen ­Ozeandampfer feiert der Vater zugleich seine zweite Heirat. »So beginnen Märchen. Oder ist es schon das Happy End?«, frohlockt er auf dem Höhepunkt des rauschenden Festes. Dann wird er heimtückisch vom Geliebten seiner Braut erschossen. Sein Leibwächter Primo verzweifelt daran, es nicht verhindert zu haben. Die Verschwörer müssen nur noch warten, bis Mia volljährig ist und sie deren Erbe nach einem weiteren Mord antreten können.

Von nun an regnet Asche auf die malerische Stadt, die in volkstümlichen Liedern als Idylle der Verwahrlosung beschworen wird. Die Stiefmutter tritt im verfallenden Schiff als Sängerin auf. Der schurkische Geliebte kehrt zurück, um den Drogenhandel zu kontrollieren. Primo ist derweil Polizist geworden und will ihm das Handwerk legen. Wiederum wird es seine Aufgabe sein, Mia zu beschützen, die in den Jahren der Mühsal und Demütigung verstummt und zu einer Goth-Schönheit herangewachsen ist. Aber zunächst einmal muss sie ihn aus dem Schiffswrack retten, dessen Frachtraum sich in einen Friedhof verwandelt hat. Das Rätsel um den Tod ihres Vaters wird von den Hologrammen gelüftet, die er erfunden hat und die jetzt das Geisterschiff als Boten der Vergangenheit heimsuchen.

Mit prunkendem, rauschhaft flink dargebotenem Einfallsreichtum stellt das Regiequartett das Märchen vom Kopf auf die Füße. Aus dem Prinzen wird ein böser King, die Stiefgeschwister (darunter ein flotter Transvestit) prostituieren sich, und aus den hilfreichen Tauben wird eine schweigsame Krähe; der verhängnisvolle Schuh schließlich geht in Massenproduktion und dient als Tarnung der Drogengeschäfte. Zwar bleibt ihre Cenerentola etwas blass, aber die Regisseure tragen die Fabel mit großem Elan in eine Gegenwart, die nicht erlöst ist vom Vermächtnis jahrzehntelanger Korruption.

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