Streaming-Tipp: »Auslöschung«
An einem einsamen Küstenstreifen der USA scheint sich plötzlich eine alternative Dimension aufzutun: Eine bizarre neue Flora und Fauna entwickelt sich, eine schimmernde Wand grenzt das Areal vom Rest der Welt ab. Die Regierung vertuscht den Vorfall und sendet Expeditionen in die sogenannte »Area X«, die sich langsam weiter ausdehnt.
Jeff VanderMeers »Southern Reach«-Romantrilogie, die auf dieser Prämisse aufbaut, galt als unverfilmbar: Erzählt aus zahlreichen Perspektiven, teilweise in Brief- und Tagebuchform, entwirft die Reihe eine rätselhafte Parallelwelt, deren unzählige Geheimnisse am Ende nur ansatzweise gelüftet werden – kein optimaler Ausgangspunkt also für einen massenkompatiblen Sci-Fi-Blockbuster. Regisseur und Drehbuchautor Alex Garland hat sich trotz allem dafür entschieden, den ersten Band der Trilogie zu verfilmen – mit durchschlagendem Erfolg. Garlands Adaption folgt nämlich nicht dem gängigen Hollywood-Trend, komplexe Bücher inhaltlich zu vereinfachen und auf mehrere Filme auszudehnen. Stattdessen ist seine Filmversion von VanderMeers Vorlage eher als ein eigenständiger Remix zu verstehen: Erzählerisch weicht »Auslöschung« erheblich von den Romanen ab, der entrückten Stimmung aber bleibt er treu.
Die Handlung folgt der Biologin Nina (Natalie Portman), deren Ehemann (Oscar Isaac) als erster Mensch aus der verbotenen Zone zurückkehrt. Kurz danach liegt er im Sterben. So meldet sich Nina als Freiwillige für die nächste, diesmal rein weiblich besetzte Expedition nach »Area X«, um herauszufinden, was mit ihrem Mann passiert ist. Fünf weitere Wissenschaftlerinnen, darunter die taffe Psychologin Dr. Ventress (Jennifer Jason Leigh), stellen sich nun gemeinsam den zahlreichen Gefahren des unbekannten Terrains. Derart starke, überzeugende Protagonistinnen hat das Genre vielleicht seit Sigourney Weavers Ripley in »Alien« nicht mehr gesehen.
Garland, der mit »Ex Machina« ein kühles, minimalistisches Regiedebüt vorlegte, zeigt hier, dass er auch ganz anders kann; gemeinsam mit seinen Sound- und Setdesignern konstruiert er eine (alp-)traumhafte, opulent ausgestattete Welt, die der Vorlage absolut gerecht wird. Darüber hinaus aber evoziert Auslöschung auch so unterschiedliche Science-Fiction-Epen wie »2001«, »Under the Skin« und vor allem Shane Carruths »Upstream Color«. Wie Carruth begibt sich Garland im letzten Teil des Films zunehmend ins Psychedelische; Auslöschung mündet etwa in einer atemberaubend choreographierten Kampfsequenz, die mehr an eine surreale Tanzperformance erinnert als an gängige Hollywood-Showdowns.
Wohl auch aus diesem Grund bekam das Studio Paramount kurz vor Veröffentlichung des Films kalte Füße und vergab die Vertriebsrechte an Netflix; »zu intellektuell« sei der Film für eine reguläre Kinoveröffentlichung, hieß es. Einerseits mag Garland so ein breiteres Publikum erreichen; fest steht jedoch auch, dass Auslöschung mit seiner detailverliebten Inszenierung eigentlich für große Leinwände gemacht wurde. Als Geniestreich erweist er sich aber unabhängig von seiner Distributionsplattform.
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