Nahaufnahme von Alex Brendemühl
Alex Brendemühl in »Rewind« (2017). © Real Fiction Filmverleih
Er hat in über 100 Kino- und Fernsehfilmen mitgespielt, meist in markanten kleinen Rollen, und vielen anderen die Schau gestohlen. Der katalanisch-deutsche Schauspieler Alex Brendemühl spielt im Sci-Fi-Thriller »Rewind« eine ungewöhnliche Kommissarfigur
Ich bin der Mann fürs Mysteriöse, für Introvertierte«, sagte Alex Brendemühl in einem Interview. Ist dies der Grund, dass der 45-jährige Schauspieler, obwohl ständig im iberischen Kino und zunehmend auch außerhalb Spaniens präsent, meist unter dem Radar bleibt? Brendemühl gilt als »Indie«-Schauspieler, der mit Vorliebe unkonventionelle Rollen übernimmt – eine »unfreiwillige, aber unvermeidliche Wahl«. Oft werde er auch mit Daniel Brühl verwechselt. Dabei ist Brendemühl mit seiner Kombination aus dunklen Haaren und hellen, blaugrünen Augen eine unverkennbare Erscheinung. Ähnlichkeiten mit Brühl ergeben sich nur durch seine Herkunft: Brendemühl ist der Sohn eines deutschen Vaters und einer katalanischen Mutter.
Er wuchs in Barcelona auf, besuchte dort die deutsche Schule und absolvierte in Madrid ein Schauspielstudium. Der fotogene Newcomer konnte sich schnell in spanischen TV-und Kinofilmen und auch im Theater etablieren. Anders als etwa Diane Kruger, die in ihrer multinationalen Karriere von Anfang an gleichzeitig Frankreich, die USA und Deutschland bespielte, kam Brendemühl jedoch erst in den letzten Jahren auch international in den Fokus. Dabei kommt ihm zugute, dass er nicht nur Spanisch, Katalanisch und Baskisch beherrscht, sondern, neben Deutsch, auch Französisch.
Doch kommen wir zurück auf sein, nach seiner Mehrsprachigkeit – er soll zehn Sprachen beherrschen –, hervorstechendstes Merkmal. Seine meerblauen Augen haben nichts vom cholerischen Killerblick eines Anthony Hopkins, sondern erwecken die Assoziation eines stillen, tiefen Wassers. Dieser intensive Blick, gepaart mit der Ausstrahlung eines in sich ruhenden Mannes, kam ihm indes in der Rolle eines Serienkillers, mit der er, 2003, erstmals außerhalb Spaniens Aufsehen erregte, zupass. Im Krimidrama »Las horas del día«, im Stil des cinéma verité gedreht, erdrosselt er als unscheinbarer Verkäufer seine Zufallsopfer in Echtzeit, so ruhig und konzentriert, dass es kaum auszuhalten ist. Zuvor ausschließlich in Spanien arbeitend, hatte er danach kleine Auftritte in aus dem Rahmen fallenden deutschen Filmen wie »Die Liebe der Kinder« und »Die Abmachung«. Doch es brauchte eine französische Regisseurin wie Nicole García, um im herzzerreißenden Drama »Die Frau im Mond« seine maskuline Aura eines leidensfähigen Schweigers zur Geltung zu bringen. In der Romanverfilmung stiehlt er als still-stolzer José Marion Cotillard in der Rolle der überspannten Ehefrau locker die Show – eine Darstellung, die als »kleine Sensation« gefeiert wurde. Als wortkarger Arbeiter, der mit der Tochter einer wohlhabenden Bauernfamilie verkuppelt wird und ihre Kapriolen mit undurchdringlichem Blick begleitet, ist er die dunkle Eminenz im Hintergrund. Letztlich erweist sich Josés Geheimnis und damit sein Charakter als viel spannender als das seiner Frau.
Er spielt oft den Mann, der mehr weiß, ohne aber damit hausieren zu gehen, und der durch seine Rätselhaftigkeit einen beunruhigenden Nimbus hat. So gibt er gern den Mediziner – etwa im argentinischen Film »Wakolda« als hilfreicher deutscher Arzt, der sich als Josef Mengele entpuppt, oder in der spanischen Tragikomödie »Freunde fürs Leben« den Tierarzt, dem sich der todgeweihte Hauptdarsteller anvertraut – und tritt etwa in »Die Vermessung der Welt« als Priester auf. 2018 bringt er in gleich drei nichtspanischen Filmen diese im Stillen dräuende Präsenz zur Geltung. So übernimmt er in Petzolds Flüchtlingsdrama »Transit«, der Verfilmung des Romans von Anna Seghers, den kleinen, aber entscheidenden Part des orakelhaften mexikanischen Konsuls, der, zuständig für die Vergabe lebensrettender Visa, alles zu wissen scheint über die Lügen des Protagonisten Georg. Im Köln-Krimi »Rewind« spielt er einen Kommissar, der mit Understatement und leicht entrücktem Blick im Schimanski-Biotop wie im falschen Film wirkt. In der ins Fantastische driftenden Handlung wird die Quantenphysik zur ermittlerischen Geheimwaffe. Im Kontrast zum Wissenschafts-Blabla wirkt der Kommissar so romantisch-rückwärtsgewandt wie Orpheus in der Unterwelt. Selbst ein Toter auf Urlaub, gilt sein einziges Trachten der Wiederauferstehung seiner ermordeten Liebsten. Und in dem auf der Berlinale vorgestellten Drama »La prière« ist er erneut ein Priester – der Leiter einer Brüderschaft in einem Alpenrefugium, in dem Junkies mit »ora et labora« clean werden sollen: wieder eine Rolle im Schatten, wo sich Brendemühl als Schauspieler am wohlsten zu fühlen scheint.
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