Kritik zu Selbstkritik eines bürgerlichen Hundes
Ist Kommunismus ohne Kommunisten möglich? Julian Radlmaier probiert sich in seinem Debütfilm an einer antikapitalistischen Film-im-Film-Komödie
Die Chefin der Oklahoma-Apfelplantage erklärt ihren Arbeitern die Spielregel. Es geht um eine »Ernte-Olympiade«. Wer nicht genügend Äpfel pflückt, muss das verbliebene Soll nach Feierabend nachholen. Ohne Bezahlung. Das ist ungerecht, aber nicht ihre Schuld. Der Weltmarkt gibt die Bedingungen vor. Es wird also höchste Zeit für eine Revolution. Die Arbeiter proben den Aufstand. Ein kommunistisches System muss her – doch man hat aus der Vergangenheit gelernt. Damit es gerecht zugeht, soll es ein »Kommunismus ohne Kommunisten« sein.
Von dieser Vision handelt der Film, in dem Regisseur Julian Radlmaier auch die Hauptrolle spielt: einen sophistischen Jungregisseur, der für jenes Projekt recherchiert, das wir, die Zuschauer, bereits als fertigen Film auf der Leinwand betrachten. Sein Wunsch nach einer besseren Welt ist allerdings gebrochen durch die Wirrnisse der Liebe. Um eine kanadische Kunststudentin zu beeindrucken, erklärt der ambitionierte Regisseur ihr in prätentiösem Englisch, der Job auf der Apfelplantage, den er auf Anweisung des Arbeitsamts annehmen muss, sei eine Recherchereise für einen kommunistischen Märchenfilm, in dem sie die Hauptrolle spielen soll.
Auf dieser Plantage, einem Zerrbild alltäglicher Ausbeutung, versammelt der Darsteller-Regisseur ein skurriles Ensemble. Der Vietnamese Hong und der Schweizer Sancho, zwei entlassene Museumswärter, treffen auf einen postsowjetischen Ganoven, eine anarchische Hedonistin und einen desillusionierten Ossi, der von sozialistischen Utopien nicht allzu viel hält. Die Multikultitruppe nächtigt in einem Container, der an die spärliche Unterkunft eines Flüchtlingsheims erinnert. Als die Revolution daran scheitert, dass die beseitigte Kapitalistin unerwartet von den Toten aufersteht, tritt der stumme Franz von Assisi auf den Plan, der den Ausgebeuteten mit einem wörtlich genommenen »Tweet« ihren Weg nach Italien weist. Hier sei Kommunismus ohne Kommunisten möglich.
»Selbstkritik eines bürgerlichen Hundes«, das Langfilmdebüt von Julian Radlmaier und zugleich sein Abschlussfilm an der dffb, ist ziemlich verstiegen und meta. Der junge Filmemacher hat eine Fülle zum Teil wirklich komischer Ideen, die er aber nicht in einer stringenten Form zusammenführt. Radlmaier lässt die Akteure seines verkopften Planspiels nicht schauspielern, sondern sich selbst darstellen. In einigen Momenten funktioniert das. Mit der Figur des schweigenden Mönchs, der einem Gemälde entsprungen ist, entsteht eine gewisse Magie, im mehrfachen Sinn. Leider neigt dieses hölzerne Bauerntheater auch zu einer gewissen Geschwätzigkeit. Der Film handelt von kapitalistischem Weltschmerz, der mit einer zuweilen etwas wichtigtuerischen Geste zelebriert wird. Am Ende ist das selbstverliebte intellektuelle Schaulaufen ein pathetisches Plädoyer dafür, trotz allem an eine bessere Welt zu glauben. Bevor man die Welt verändert, sollte man aber damit anfangen, das Kino zu verändern. Das ist nur ansatzweise gelungen.
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