Kritik zu Es war einmal in Deutschland...

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Der Belgier Sam Garbarski widmet sich in dieser Tragikomödie nach zwei Romanen von Michel Bergmann dem jüdischen Überleben in Deutschland unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg – mit Moritz Bleibtreu als umtriebigem »Teilacher«

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»Hitler ist tot, aber wir leben!« Und nur darauf kommt es an, will der KZ-Überlebende David Bermann (Moritz Bleibtreu) seinen sechs jüdischen Geschäftspartnern klarmachen, die er 1946 in einem DP-Lager in Frankfurt rekrutiert. Bermann, der einst mit seiner Familie ein Wäschekaufhaus in Frankfurt betrieben hat, will einen Handel mit feiner Aussteuerwäsche aufziehen. Doch er braucht Teilhaber, weil ihm die US-Militärregierung die Geschäftslizenz verweigert. Um das Startkapital für die Auswanderung zu bekommen, lassen sich die seelisch und körperlich versehrten KZ-Überlebenden auf seine Geschäftsidee ein. Dank kreativer Schwindeleien ist ihr Klinkenputzen bei deutschen Hausfrauen schnell erfolgreich.

Parallel zu seinem florierenden Geschäft muss Bermann Verhöre bei der Army absolvieren, weil er im KZ einst als privilegierter Gefangener behandelt wurde. Deshalb verdächtigt ihn US-Offizierin Sara (Antje Traue) der Kollaboration mit den Nazis. Nun ist Bermann zwar ein begnadeter ­»Teilacher«, wie Hausierer im Jiddischen genannt werden, der Kundinnen eloquent um den Finger wickeln kann. Doch Sara tischt er eine Geschichte auf, die zu schön ist, um wahr zu sein. »Ohne Lügen« aber, weiß der Alltagsphilosoph, »wäre das Leben nicht zu ertragen.«

Sam Garbarski, der unter anderem mit »Irina Palm« ein Händchen für vertrackte ­Geschichten bewies, adaptierte mit »Die ­Teilacher« und »Machloikes« zwei Schelmenromane von Michel Bergmann über jüdisches Leben im Nachkriegsdeutschland. Die im Film auf die Jahre 1946 und 1947 verdichteten Episoden gewähren jedoch nicht nur den vielen interessanten Charakteren zu wenig Spielraum, sondern gehen auch auf Kosten einer schlüssigen Handlung. Wie gelang es jenen geschätzt 4000 in Deutschland hängengebliebenen jüdischen Holocaust-Überlebenden, mitten im Feindesland aus Mitläufern und ehemaligen Tätern mit ihren Erinnerungen fertigzuwerden? Bermann verkraftet seine Traumata dank selbsttherapeutischer Schwindeleien. Und tatsächlich sind seine eskapistischen Obersalzberg-Geschichten ziemlich lustig. Ohnehin kommt dem legendären jüdischen Humor als existenzphilosophischer Impfung gegen reale Ungeheuerlichkeiten eine Schlüsselrolle zu. Doch die Fallhöhe zwischen Tragik und Komik wird in der Inszenierung meist zu zaghaft ausgelotet. Selten baut sich jene humoristische Hochspannung auf, bei der einem das Lachen im Halse steckenbleibt. Meist stagnieren die Pointen, selbst wenn es um das Spiel mit antijüdischen Ressentiments geht, auf der gefälligen Schmunzelebene. Dass der Film einem selbst beim bittersten Witz der Handlung, der sich um einen als SS-Aufseher enttarnten Kioskbesitzer dreht, nicht besonders berührt, liegt vielleicht auch an der stereotypen Machart.

Moritz Bleibtreu erinnert als Bermann gelegentlich an Groucho Marx, meistens aber an seine ähnliche Überlebendenrolle in »Mein bester Feind«. Die jiddischen Dialogeinsprengsel und musikalischen Motive im Soundtrack sind ebenso erwartbar und aufgesetzt wie die schaufensterhafte Ausstattung und die görlitzeske Frankfurtkulisse ohne eine Spur wiedererkennbaren Lokalkolorits. Jene gekachelten Wohnküchen in ländlichen Vororten, in die Bermanns Handelsvertreter Einlass finden, sehen allerdings weder hessisch noch sächsisch aus. Vielleicht ja luxemburgisch oder belgisch? So herrscht auch visuell bald der Eindruck eines durch Filmförderungsforderungen fade gewordenen »Europuddings« – was angesichts des Schauplatzes Frankfurt, wie keine andere deutsche Großstadt seit jeher von Juden geprägt, besonders schade ist. Ähnlich künstlich wirken Offizierin Sara, die statt als Frau aus Fleisch und Blut wie eine Drehbuchhilfskonstruktion und Stichwortgeberin daherkommt – und die Schlusswendung, in der ein gewisser Lubawitzer wie ein Kaninchen aus dem Hut gezaubert und eine völlig neue Baustelle aufgemacht wird. Schon wegen der puren Menge an Anekdoten ist diese Tragikomödie nie langweilig, vermittelt aber das ärgerliche Gefühl, dass hier mehr drin gewesen wäre.

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