Gegen das Schweigen: Frauenfilmfestival Köln
Preisgekrönter Film »Alba«
Das Frauenfilmfestival Köln widmete sich dem Filmschaffen von Frauen in Mexiko und setzte einen Schwerpunkt auf Coming-of-Age-Filme
Das wechselnd in Dortmund und Köln stattfindende Internationale Frauenfilmfestival hat in Dortmund einen thematischen, in Köln einen regionalen Schwerpunkt. Der war dieses Jahr Mexiko gewidmet, zeigte mit aktuellen Spielfilmen von Victoria und Michel Franco (»A los ojos«), Alejandra Sánchez (»Seguir viviendo«) und Dokumentarfilmen von Natalia Bruschtein (»El tiempo suspendido«), Christiane Burkhard (»Trazando Aleida«) und Tatiana Huezo aber ein auch inhaltlich auf Menschenrechtsprobleme und Gewalt fokussiertes Programm. Besonders Huezo zeigt sich als Meisterin der großen dokumentarischen Form: In »Tempestad« montiert sie zu erschütternd schönen Bildern einer Busreise durch Mexiko ausführliche Berichte zweier Frauen, von denen die eine in einem von Drogenkartellen betriebenen »inoffiziellen« Gefängnis landete, die andere ihre Tochter vermutlich an Menschenhändler verlor.
Auf einem Podium im Rahmen des von Sonja Hofmann kuratierten Mexiko-Specials waren sich Filmemacherinnen und Produzentinnen einig, dass es ein wesentliches Movens ihrer Filmarbeit sei, der flächendeckenden Angst und dem Schweigen eine möglichst vielfältige Präsenz an Stimmen entgegenzustellen. Das funktioniere derzeit erfreulich gut, hieß es, die im Journalismus präsente Zensur habe es in den Filmbereich bisher nicht geschafft, von der staatlichen Filmförderung würden widerständige Projekte sogar bewusst gefördert. Und mit einem Frauenanteil von 30 Prozent haben die mexikanischen Regisseurinnen das Nahziel der deutschen Pro-Quote-Regiefrauen bereits erreicht. Allerdings kämpfen unabhängige Produktionen in Mexiko oft vergeblich um einen angemessenen Kinoauftritt.
Als Reverenz an ein ganz anderes (in der mexikanischen Filmgeschichte das sogenannte Goldene) Zeitalter kam Adela Sequeyros Spielfilm »La mujer de nadie« aus dem Jahr 1937. Die Produktion ist allerdings nicht – wie im Katalog-Grußwort von Oberbürgermeisterin Henriette Rekers angegeben – der erste von einer Frau gedrehte mexikanische Film. Frauen wie Mimi Derba oder den Schwestern Adriana und Dolores Elhers hatten schon in den 1910er-Jahren als Produzentinnen und Regisseurinnen in Mexiko reüssiert.
Dies macht die im 19. Jahrhundert angesiedelte Geschichte um eine vor einem gewalttätigen Stiefvater geflüchtete (von Sequeyro selbst dargestellte) junge Frau, die halbverhungert von drei misogynen Künstlern aufgenommen und bald vergöttert wird, nicht weniger amüsant und gender-ästhetisch hellsichtig – Sequeyros Film verschärft auch noch einmal schön die blickpolitische Bedeutung frauenfokussierter Filmschauen wie in Köln.
Schöne Beispiele hierfür lieferten auch die vielen starken Coming-of-Age-Filme im Wettbewerb für Debütspielfilme, die in problematischen Umständen aufwachsende eigenwillige Mädchen aus der Negev-Wüste (»Sand Storm«, Elite Zexer) oder den Badlands von North Dakota (»Songs My Brothers Taught Me«, Chloé Zhao) in den Fokus nehmen. Oder aus einer Großstadt Ecuadors, wie die lakonisch erzählte Geschichte von Alba, die wegen einer schweren Krankheit ihrer Mutter zum Vater ziehen muss und mit ihrer spröden Präsenz im Wettbewerb der wohlhabenden Mitschülerinnen um coole Auftritte und hoffnungslos unterliegt. Eine Preziose aus einem bisher eher unbeschriebenen Filmland, für die Regisseurin Ana Cristina Barragán zu Recht den Hauptpreis erhielt.
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