Kritik zu X-Men: Apocalypse
In der Fortsetzung der X-Men-Saga, die im Jahr 1983 spielt, sind viele der bekannten Charaktere mit neuen jüngeren Darstellern besetzt
Drei Wochen nach dem Start von »The First Avenger: Civil War«, in dem sich die Avengers-Superhelden in einem internen Schlagabtausch verzettelten und dann doch gemeinsam die Welt retteten, muss mit den X-Men-Mutanten ein weiteres Marvel-Team eine ähnliche Konfliktlage bewältigen – wie bereits schon vor acht Wochen »Batman v Superman« im Universum der DC-Comics. In dieser Saison haben Superhelden-Filme ein besonders großes Distinktionsproblem. Doch die im Jahr 2000 von Bryan Singer begonnene X-Men-Saga erweist sich als weiterhin gut aufgestellt. Wo sich bei der Konkurrenz die Superhelden unter dünnsten Vorwänden gegenseitig bekriegen müssen, bestand das Bauprinzip der X-Men-Reihe von Anfang an aus dem glaubhaften, moralisch unauflösbaren Antagonismus der beiden Anführer Magneto und Charles Xavier. Singer verlieh den Mutantencharakteren vom Start weg jene tragische Zerrissenheit und Hamlet’sche Schwermut, die den X-Men auch diesmal ein unverwechselbares dramatisches Profil verleiht.
Singers vierte X-Men-Regie (von insgesamt sieben »X-Men«-Filmen, lässt man die Extratouren »Wolverine« und »Deadpool« außen vor) knüpft an seinen Vorgänger »X-Men: Zukunft ist Vergangenheit« an und spielt 1983. Leider erscheint die Wiederauferstehung des superbösen Super-Mutanten Apocalypse, der jahrtausendelang in einer Pyramide begraben lag, als unerwartet trashiger Handlungstrigger. Der Rückgriff auf altägyptischen Okkult-Quatsch verschiebt das vergleichsweise »sophisticated« wirkende X-Men-Universum weit ins B-Movie-Revier. Oscar Isaac als Apocalypse sieht aus wie eine lahme Kreuzung aus Mumie und »Star Wars«-Soldat. Es braucht eine gute Stunde, bis die Kreatur vier X-Men, darunter Magneto, rekrutiert und aufgepimpt hat. Bis alle Kätzchen im Körbchen und auch die Schüler von Internatsbetreiber Charles Xavier etabliert sind, vergeht ebenfalls viel Zeit. Xaviers Youngsters müssen sich im Kampf gegen Apocalypse erstmals bewähren.
Bei Apokalypses Welt-Abrissprojekt schwebten Singer Bilder à la Roland Emmerich vor. Tatsächlich sind die mit vibrierendem Wumms zusammenkrachenden Bauten enorm imposant. Die lange Exposition erfreut dagegen mit Vor-Mauerfallimpressionen aus Ostberlin und aus dem polnischen Arbeiter- und Bauern-Paradies, im dem Magneto sein kleines Glück gefunden zu haben glaubt. Wohlgefällig schaut man auch auf die jüngeren X-Men-Ausgaben, obwohl weiterhin alte Bekannte wie Jennifer Lawrence als Mystique dabei sind. Die ungleiche Behandlung der Alt-Darsteller in diesem Reboot – so wurde Famke Janssen als Jean Grey zugunsten der jungen Sophie Turner ausgemustert – erregte im Vorfeld Ärger. Doch das neue »round up« der X-Men ist trotz seiner überladenen Handlung unterhaltsam. Wo die Avengers ohne ihr selbstironisches Gewitzel kaum auszuhalten wären, da trägt die coole Doppelgesichtigkeit der X-Men als verwundete Seelen und wütende Krachmacher den Film über manche Länge hinweg. Deshalb ist zu hoffen, dass das von Comic-Aficionados seit Jahren herbeigeredete Crossover der Marvel-Teams ein Gerücht bleibt.
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