Fernsehfilm-Filmfestival Baden Baden

Relaunch
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Das Fernsehfilm-Festival in Baden-Baden heißt jetzt ­Televisionale. ­Unter der neuen künstlerischen Leitung von Urs Spörri und der ­Geschäftsführerin Daniela Ginten wird auch ein Serienpreis verliehen

In Krumau am Kamp, einem abgelegenen Dorf im Norden Österreichs, entdecken Feuerwehrleute beim Abpumpen eines überschwemmten Wohnhaus-kellers drei verscharrte Säuglingsskelette. Der Gemeindepolizistin Ulli Herzog (Julia Franz Richter) geht dieser Fall besonders an die Nieren. Nach zwei Fehlgeburten ist die junge Beamtin nämlich gerade wieder schwanger. Mit Beharrlichkeit und Einfühlungsvermögen kommt sie der Vorbesitzerin des überschwemmten Hauses auf die Spur. Die psychisch labile Frau hat ihre Säuglinge nach der Entbindung umgebracht. 

Damit nicht genug, geht es in diesem vertrackten Fall obendrein noch um Angststörung, Fehlgeburten, Frömmigkeit, Pädophilie – und Intersexualität: Nach der Liste der verhandelten Themen zu urteilen, könnte man einen prätentiösen Problemfilm erwarten. Doch die Autoren-Regisseurin Marie Kreutzer, deren aktuelle Kinoproduktion »Corsage« kürzlich als österreichischer Beitrag ins Rennen um den Auslands-Oscar geschickt wurde, verwebt dieses abenteuerliche Themengespinst mit traumwandlerischer Sicherheit. 

Daher wurde der Fernsehfilmpreis 2022, den die Deutsche Akademie der Darstellenden Künste gemeinsam mit dem Sender 3Sat auslobt, an den atmosphärischen Landkrimi Vier verliehen: »Statt auf Effekte und Themen zu setzen«, so die Begründung der Jury unter dem Vorsitz von Dominik Graf, »versteht es die Filmemacherin, mit Respekt bis zur Zärtlichkeit den Figuren ihr Geheimnis zurückzugeben.« Julia Franz Richter als Gemeindepolizistin und Regina Fritsch in der Rolle der launischen Vorgesetzten vom Landeskriminalamt überzeugen als »grandioses Ermittlerinnen-Duo«. 

Der neue Veranstaltungstitel Televisio­nale steht für eine konzeptionelle Neuausrichtung des seit 1989 bestehenden Fernsehfilm-Festivals. Unter der künstlerischen Leitung von Urs Spörri, einem Kenner des deutschen Films, wurde der Wettbewerb an Gegebenheiten des veränderten Medienmarktes angepasst. Öffentlich-rechtliche Sender haben nicht mehr das Privileg, Wettbewerbsbeiträge selbst zu nominieren. Mit Blick auf die gewachsene Anzahl der Medienanbieter hat sich der Einreichtopf vergrößert. Neben dem seit 1996 schon partizipierenden Privatfernsehen werden nun auch das Pay-TV und Streaminganbieter miteinbezogen. 

Neben dem traditionellen Wettbewerb für 90-minütige Formate wird zusätzlich ein Preis für die beste deutsche Serie vergeben. Dieser ging an die zweite Staffel der Sky-Produktion Der Pass: »Wir vergeben diese Auszeichnung nicht, weil, sondern obwohl es ein Krimi ist«, erklärte die Serienjury unter dem Vorsitz der Schauspielerin Lavinia Wilson. Die Serie lasse Räume, »die das großartige Ensemble mit reduziertem und präzisem Spiel meisterhaft zu füllen weiß und die in beeindruckender Perfektion zu einem stimmigen Gesamtkunstwerk zusammengefügt wurden«. 

Mit »Munich Games« zeichnete auch die ­Jury der Filmstudenten eine Serie des Pay-TV-Senders Sky aus. Der Mehrteiler erzählt, wie eine Gedenkfeier für die israelischen Sportler, die während der Olympiade 1972 ermordet wurden, aus dem Ruder läuft: »Das ist State of the Art – wie eine internationale Thriller-Serie heute aussehen sollte.«

Die 3sat-Zuschauer verliehen den Publikumspreis an »Die Wannseekonferenz«. Mit einem hochkarätigen Ensemble, darunter Philipp Hochmair als Reinhard Heydrich und Godehard Giese in der Rolle des Juristen Wilhelm Stuckart (des Verfassers der Nürnberger Gesetze), bebilderte Matti Geschonneck das Schlüsselereignis, das die systematische Ermordung der Juden einleitete. 

Die Auszeichnung MFG-Star 2022 für die beste Nachwuchs-Regiearbeit ging an das ohne Senderbeteiligung entstandene Debüt »Ladybitch« von Paula Knüpling und Marina Prados. Im Stil einer komödiantischen Fake-Dokumentation beobachtet der Film die Proben einer Theatergruppe, deren Regisseur seine Machtposition ausnutzt und die Hauptdarstellerin sexuell bedrängt. »Das ist«, so der MFG-Juror Sönke Wortmann, »ein Drahtseilakt, das hätte gewaltig schiefgehen können, aber mit Hilfe eines exzellenten Ensembles, das seine Figuren ernst nimmt und nicht verrät, gelingt dieser Film auf beeindruckende ­Weise.«

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