Filmfest München: Bitte nicht kaputtfördern!
»Mein Ende. Dein Anfang« (2019). © Telepool
Markus Söder will das Filmfest München zum Medienfestival ausbauen. Aber warum? Das Konzept funktioniert seit Jahren. Und hat sich auch jetzt wieder bewährt, besonders beim Neuen Deutschen Kino
Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) mag Filme. Den letzten »Avengers« hat er gesehen, wie er in einem Interview mit der »SZ« sagte. Das muss man ihm einfach mal glauben. Und er hat den Etat des Filmfests München um drei Millionen Euro erhöht. Aber er hat auch Ansprüche, wenn es um Filme geht. Das Filmfest München müsse sich weiterentwickeln, vielleicht sogar die Berlinale überflügeln, zu einem »Medienfestival« werden, sich für Games und Virtual Reality öffnen – und einen Preis für YouTube-Influencer ausloben. Söders Digitalministerin Judith Gerlach sprang ihm zur Seite und forderte ein »Update«, natürlich in der »Bild« und unter der Überschrift »Filmfest vor dem Aus?«. Nun machen auch die Geldgeber anderer Festivals Vorgaben – aber das meist hinter verschlossenen Türen. So dreist jedenfalls werden Forderungen wahrscheinlich nur in Bayern aufgestellt, gemäß der alten Spezlndevise »Geb ich dir was, will ich aber auch was zurück«. Und man kann nur darauf bauen, dass sich manche von Söders Ideen von selbst erledigen, was ja bei der CSU gang und gäbe ist – siehe Autobahnmaut.
Auf alle Fälle blieb das Programm des Filmfests nach wie vor erkennbar. Als neue Sektion kam »Cinecopro« hinzu, für Koproduktionen, ein Wettbewerb, der mit der riesigen Summe von 100 000 Euro dotiert war. Bei der Berlinale gibt es ja bekanntlich nichts für einen Goldenen Bären. Seit langem ist die Reihe Neues Deutsches Kino so etwas wie das Herzstück des Festivals, ein Querschnitt durch das junge deutsche Kino, ein buntes Potpourri aus Improvisiertem und stringent Erzähltem. »Mein Ende. Dein Anfang« etwa ist eine Variation über den Zufall. Den gibt es nicht, sagt Aron, ein Physiker, zu seiner Freundin Nora (Saskia Rosendahl), alles ist vorherbestimmt. Und doch werden die beiden in einen Banküberfall verwickelt und Aron dabei erschossen. Voller Trauer driftet Nora durch die Tage, einmal rettet sie ein Unbekannter. Aber natürlich gehört auch der zum Spiel mit der Bestimmung, das die Regisseurin Mariko Minoguchi durch eine ausgeklügelte Rückblendentechnik meisterhaft entwickelt. Am Ende fügen sich alle Teile zu einem verblüffenden Ganzen, am Schluss vielleicht zu gut.
Viele der Figuren in den Filmen der Reihe streiften durchs Leben: das Paar, das auf einer griechischen Insel ein paar Monate verbringen will und in eine Ménage-à-trois gerät in »Rest in Greece« von Florian Gottschick, oder die Mittzwanzigerin Ava, die nach dem Studium nach Hause zurückkehrt, wo nichts mehr so ist, wie es war, in »Golden Twenties« von Sophie Kluge. Der lang erwartete »Lara« von Jan-Ole Gerster, der mit »Oh Boy« seine Karriere vor sieben Jahren von München aus begann, begleitet einen Tag lang die sechzigjährige Titelfigur, deren Sohn am Abend ein Konzert mit eigenen Kompositionen geben wird. Sie besucht ihre früheren Kolleginnen, später auch ihren Sohn selbst. Es ist das Psychogramm einer vereinsamten Frau und übergriffigen Mutter, voller Tragik, aber auch mit Humor, liebevoll und böse zugleich. Gerster konnte den Preis für die beste Regie des Förderpreises deutscher Film gewinnen, und Corinna Harfouch in der Titelrolle wird im nächsten Jahr die Lola als beste Schauspielerin entgegennehmen. Ausgezeichnet im Rahmen des Förderpreises für das beste Drehbuch wurde auch İlker Çataks »Es gilt das gesprochene Wort«, eine Migrationsgeschichte der ganz anderen Art, neben Lara der zweite herausragende Beitrag der deutschen Reihe in diesem Jahr.
Zu den schönen Eigenschaften von München gehört, dass es nicht den Weltpremieren hinterherhechelt wie die Berlinale. Im Beiprogramm lief etwa »Zwingli – Der Reformator«, der die letzten Jahre Huldrych Zwinglis verfolgt – und in der Schweiz schon startete, mit großem Erfolg übrigens. Regisseur Stefan Haupt hat die wichtigen Reformen Zwinglis und seine theologischen Streitpunkte so in seinen Film verwoben, dass es nie aufdringlich oder aufgesetzt wirkt. Sein Zwingli–Film ist auch ein historischer Bilderbogen, der uns die frühe Neuzeit mit ihrem Dreck, ihren Krankheiten, ihren Klassenunterschieden und ihren drakonischen Strafen nahebringt.
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