Interview mit Aaron Sorkin über seinen Film »Molly's Game«
Aaron Sorkin am Set von »Molly's Game«. Courtesy of STXfilms/Michael Gibson
Mark Zuckerberg, Steve Jobs, und nun Molly Bloom: ist dies eine Trilogie amerikanischer Selfmade-Menschen?
Das erste Mal, dass ich Non-Fiction schrieb, war 2007 mit »Der Krieg des Charlie Wilson«. Danach schwor ich, niemals wieder Non-Fiction zu schreiben. Dasselbe sagte ich mir nach »The Social Network« – doch dann schrieb ich »Moneyball«, »Steve Jobs« und nun »Molly's Game«: nein, es war keine Absicht, aber ich habe festgestellt, dass ich solche Geschichten unwiderstehlich finde. Ich las Mollys Buch, das war ein wilder Ritt, dann traf ich sie und stellte fest, dass das Buch nur die Spitze des Eisbergs war – es gab vieles, was sie im Buch nicht erzählt hatte, zudem all das, was passierte, nachdem sie das Buch veröffentlichte. Ich hatte nie den Eindruck, dass dies eine Pokerstory sei, für mich war das die Geschichte einer
wirklichen Heldin an einem ungewöhnlichen Ort. Unser erstes Treffen dauerte nur eine Stunde, aber dem folgten viele weitere Treffen, ich fand ihre Geschichte großartig und bewegend. Es ging um Anstand und darum, dass es schwieriger ist, das Richtige zu tun als das Falsche. Das hat mich immer fasziniert, ich sah augenblicklich viele Möglichkeiten, diese Geschichte zu erzählen.
Hat vor Ihnen nie jemand Mollys Geschichte recherchiert? Das ist doch eigentlich verwunderlich, so faszinierend wie sie ist.
Das stimmt. Ich bekam sie von einem Anwalt, der in der Unterhaltungsindustrie tätig ist. Als ich ihren Namen googelte, fand ich nur einige Artikel in Klatschmagazinen. Sie war hier meine einzige Quelle, das war anders als bei Zuckerberg und Jobs, wo ich mit sehr vielen Leuten sprach.
Hat das die Arbeit einfacher gemacht?
Ich würde sagen »ja«. Aber nichts, was ich je geschrieben habe, fand ich leicht. Schreiben ist schwer, aber noch schwerer ist Nicht-Schreiben – die Zeit, bevor man anfängt zu schreiben, wo man um den Schreibtisch herumläuft und versucht, einen Einstieg zu finden. In diesem Fall war das nicht so ausgeprägt, denn ihre Geschichte erschloss sich mir sofort. Mein Eindruck war, dass sie in ihrem Buch eine gute Geschichte erzählt hatte, wobei es sich allerdings nur um die Brotkrumen einer noch besseren Geschichte handelte. Das ist die Geschichte einer wirklichen Heldin, die wir an einem höchst ungewöhnlichen Ort finden, nämlich beim Pokerspiel mit hohen Einsätzen.
Befanden Sie Sich bei den Gesprächen mit ihr jemals in einer vergleichbaren Situation wie der im Film von Idris Elba verkörperte Anwalt, der beim ersten Gespräch sagt: »Ich glaube, ich weiß, bei wem es sich um diese Person aus Ihrem Buch handelt«?
Ich war in genau in dieser Situation, deswegen gibt es seine Figur im Film, das ist das einzige fiktionale Element der Geschichte. Er macht dieselbe Reise, die ich selber erlebte – von nicht allzu großen Erwartungen zu Beginn bis zum Verständnis für Molly und dem Eingeständnis, dass sie das Vorbild seiner kleinen Tochter ist.
Ist er in gewisser Weise zu seiner Tochter nicht ähnlich unnachgiebig wie es Mollys Vater zu seiner Tochter war?
Diese Parallelen gibt es, zumindest Molly erlebt das so. Aber als er sie fragt, ob er zu harsch zu seiner Tochter sei, antwortet sie, dass die Welt da draußen streng zu Frauen sei, deshalb solle er seine Anstrengungen ruhig verdoppeln.
Die Figur von Mollys Vater ist demnach keine Fiktion, sondern basiert auf Aussagen Mollys?
So ist es.
Bei »Steve Jobs« hatten Sie die geniale Idee, seine Lebensgeschichte auf drei Präsentationen seiner Produkte zu konzentrieren. An welchem Punkt der Drehbucharbeit hat sich das ergeben?
Das war mein Ausgangspunkt. Ich schrieb Amy Pascal, der damaligen Studiochefin, die jetzt »Molly's Game« produziert hat, dass meine Idee war, den Film wie drei Einakter aufzubauen: gezeigt werden jeweils die vierzig Minuten vor einer Produktpräsentation und dabei die Konflikte dargestellt, die sein Leben kennzeichnen.
Wie schwer war es im Vergleich dazu, eine Perspektive auf Mollys Geschichte zu entwickeln?
Ich wusste, dass ich zwei Geschichten erzählen wollte, die miteinander verschränkt sind: zum einen, wie sie zur Veranstalterin dieser hochdotierten Pokerspiele wurde, zum anderen ihre Situation heute – wie es ihr und ihrem Anwalt gelang, dass sie nicht ins Gefängnis musste. Das erste ist die Geschichte, die sie in ihrem Buch erzählt, im Film sollte das ablaufen, als ob sie vor Publikum erzählt, deswegen gibt es hier auch so viel Off-Text. Diese Struktur hatte ich zu Beginn, danach ging es darum, aus der Überfülle von Material dasjenige auszuwählen, das die Geschichte vorantreiben würde. Als ich anfing zu schreiben, wusste ich noch nicht, wie das Ende aussehen würde, nur dass es bittersüß sein sollte – sie muss nicht ins Gefängnis, auf der anderen Seite ist sie eine Frau von 35 Jahren, die einst große Ambitionen hatte, von denen nicht mehr viel übrig geblieben ist. Aber sie hat Kampfgeist, das wird ihr helfen
Wie lange haben Sie gezögert, als Sie gefragt wurden, ob Sie auch die Regie des Films übernehmen wollten?
Für diese Entscheidung wurden mir nur drei Wochen Zeit gegeben. Das war vor ungefähr zwei Jahren, als ich den Produzenten die erste Drehbuchfassung gab. Über die Weihnachtsfeiertage musste ich mich entscheiden.
Wie sah Ihr Crashkurs im Regieführen aus?
Vieles lief als learning-by-doing bei den Dreharbeiten ab, ich bekam Unterstützung von einigen der Regisseure, mit denen ich zuvor gearbeitet hatte, aber die wichtigste Unterstützung kam von den Mitarbeitern des Films, sowohl den Schauspielern als auch der Crew.
Wird es künftig immer heißen »written and directed by Aaron Sorkin«?
Ich hatte so tolle Erfahrungen mit den Regisseuren, mit denen ich gearbeitet habe, dass ich das nicht missen möchte. Andererseits war dieser Film eine so erfreuliche Erfahrung, dass ich gern wieder Regie führen möchte.
Gibt es unter der gegenwärtigen Präsidentschaft der USA ein erneutes Interesse an der von Ihnen geschriebenen Präsidentenserie »The West Wing«? Etwa im Sinne einer nostalgischen Erinnerung an bessere Zeiten – deren Protagonist war ja ein liberaler Präsident.
Ja, da gibt es eine große Nostalgie. Es freut mich, dass es für Interessenten einfach ist, die Serie zu sehen, sie ist bei den Streamingdiensten ebenso vorhanden wie als DVD.
Könnten Sie Sich vorstellen, eine vergleichbare Serie über einen ganz anderen Typus von Präsident zu schreiben?
Das wird immer wieder angesprochen. Hätte ich eine Idee, die das in Griff bekommen würde (womit ich meine, dass ich zu 100 Prozent überzeugt sein muss, dass sie funktioniert), würde ich es machen. Aber ich möchte die positive Erinnerung an »The West Wing« nicht durch etwas Halbgares ruinieren.
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