Venedig 2015: Champions League der Stars - Wird es das Comeback von Johnny Depp?
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Johnny Depp und andere liefern aus den 72. Filmfestival von Venedig einen Wettstreit um die beste und manchmal auch nur die auffälligste Schauspielerleistung
Wird es das Comeback von Johnny Depp? Diese Frage beherrschte das Gespräche über das 72. Filmfestivals von Venedig seit bekannt wurde, dass hier der Film »Black Mass« Premiere feiern würde. Depp verkörpert darin einen berüchtigten Gangster aus Boston, dessen Aufstieg und Fall einmal mehr die korrupte Verzahnung von Polizei und Unterwelt widerspiegeln. Es ist eine wahre Geschichte und Depp hat sich für die Rolle bis zur Unkenntlichkeit verwandelt. Stechend-blaue Kontaktlinsen und eine mit grau-blondem Haarkranz umsäumte Halbglatze machen aus ihm das Gegenteil des einstigen Mädchenschwarms. Die Ambition ist deutlich: Es ist eine Totalverwandlung, wie sie bei den Oscars oft belohnt wird. »Black Mass« liefert eine finstere Chronik der Verbrechen und der Verstrickung mit dem FBI, nicht mehr und nicht weniger. Depps Auftritt ist so eisig wie unheimlich - und entgegen der auffälligen Aufmachung so zurückhaltend, dass nicht sicher ist, ob der Aufmerksamkeitswert für eine Oscarnominierung reichen wird.
Für die Fans in Venedig, die vom frühen Morgen an den Roten Teppich belagerten, stellte sich die Frage nach dem Comeback von Depp in jedem Fall nicht. Bei ihnen ist der mittlerweile 52-Jährige trotz aller Flops (»Lone Ranger«, »Mortdecai«) nie aus der Gunst gefallen. Für sie allerdings hält „Black Mass“ eine Überraschung bereit. Johnny Depp dominiert den Film weit weniger als die Werbung verspricht. Umgeben von einem hochkarätigen Männerensemble, in dem Stars wie Benedict Cumberbatch und Kevin Bacon in Kurzauftritten glänzen, spielt sich der Australier Joel Edgerton in den Vordergrund. Nicht zuletzt weil seine Rolle eines von eigenen Ehrgeiz korrumpierten FBI-Agenten mehr Komplexität ermöglicht als die des gewaltbereiten Gangsters.
In einem gibt »Black Mass« den Trend dieser 72. Filmfestspiele von Venedig wieder: Über all seine Kategorien hinweg stellt das Festival eine Art Championsleague der Schauspielkunst dar. Darin treten unter anderem die verschiedenen Generationen der Stars gegeneinander an: Während in »Black Mass« mit Depp und Bacon die über 50-Jährigen ihre Fitness demonstrieren, meldet die Generation der um die 40-Jährigen mit Edgerton und Cumberbatch ihre Ansprüche an.
Ein anderer Film des diesjährigen Wettbewerbs der Filmfestspiele von Venedig wird ganz von der Verwandlungskunst eines Schauspielers dominiert, und vom 33-jährigen Oscarpreisträger Eddie Redmayne: In »The Danish Girl« spielt Redmayne einen verheirateten jungen Künstler im Dänemark des frühen 20. Jahrhunderts, der die Frau in sich entdeckt. Auch dies ist eine wahre Geschichte. Einar Wegener war einer der ersten Männer, die sich der Operation zur Geschlechtsumwandlung unterzogen. Tom Hooper (»The King’s Speech«) erzählt die Geschichte ganz als prächtig ausgestattetes und konventionelles Gefühlsdrama, in dem die sich wandelnde Beziehung zwischen den Eheleuten – Alicia Vikander verkörpert Einars offenherzige und sehr emanzipierte Ehefrau Gerda – im Vordergrund steht. So sehr man Redmaynes Auftritt bewundern kann, wird der Film als Ganzes seinem komplexen Thema leider kaum gerecht.
Mit Kirsten Stewart und Nicholas Hoult im Science-Fiction-Thriller »Equals« traten auch zwei herausragende Darsteller der Generation der 20-Jährigen im Festival an. Sie spielen ein verbotenes Liebespaar in einer Welt, in der Gefühle als Krankheit gelten. Wohlwollend begrüßt, hinterlässt der Film des Amerikaners Drake Doremus keinen allzu großen Eindruck. Mit einer vorhersehbaren Handlung kann er den im Genre bereits oft abgehandelten dystopischen Thema nichts Neues abgewinnen. Die Schauspiel-Höhepunkte setzten hier für ein Mal die Älteren: Guy Pearce (47) und Jackie Weaver (68) in Nebenrollen als Mitglieder einer Untergrundorganisation, die bezeichnender Weise dafür kämpft, dass die Jungen ihre Gefühle ausleben können.
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