Hofer Filmtage - Stimmungsbarometer
Forian David Fitz in »Die Lügen der Sieger«
Die Hofer Filmtage gehören zum deutschen Film wie der Bratwurststand zum Festival.
Zum 48. Mal hat Heinz Badewitz nach Hof eingeladen. Die Hofer Filmtage sind ja gewissermaßen, anders als etwa die Berlinale, eine Gründung von ganz unten, eine Filmemacherinitiative. Eigentlich war die erste Ausgabe ja nur eine Matinee mit einem Kurzfilmprogramm, mit Werken etwa von Vlado Kristl, Uwe Brandner und Heinz Badewitz, aber aus ihr hat sich sehr schnell das zentrale Festival des jungen deutschen Films der siebziger und achtziger Jahre entwickelt, wo die Filmemacher untereinander und mit dem Publikum in Kontakt traten. Von dieser Funktion des Festivals ist immer noch viel geblieben, auch wenn jetzt andere Festivals wie München oder Berlin um die Premieren deutscher Filme buhlen.
Man kann in Hof aber immer noch gut sehen, wohin der Zug im deutschen Kino geht – und das nicht nur, weil hier Filme wie Titos Brille, The Green Prince oder Wiedersehen mit Brundibar, die in diesem Monat starten, ihre Vorpremiere hatten. Es gibt im Moment zwei interessante, Hoffnung machende Strömungen im deutschen Film: zum einen die Low-Budget-Filme, meist Komödien, die manche unter dem Signet German Mumblecore listen, zum anderen eine Hinwendung zum Genrekino. Liebe mich! von Philipp Eichholtz ist solch ein sympathischer Low-Budget-Film, entstanden laut Regisseur mit einem minimalen Budget von 4000 Euro in zehn Tagen. Man merkt diesem Film seine Spontaneität durch seine improvisierte Enstehung an, wenn Eichholtz seine Protagonistin Sarah (Lili Meinhardt) auf die Straßen von Berlin schickt, weil sie bei ihrem Freund rausgeflogen ist – und sich durch das Verbrennen seines Rollers spektakulär rächt. Sie freundet sich mit einem Computernerd an – weil auch ihr Notebook bei der Auseinandersetzung draufgegangen ist. Schön hat Eichholtz die peinlichen Momente herausinszeniert, in die Sarah hineintappt, wenn sie etwa ihren neuen Freund zu ihrem Papa (Peter Trabner) und seiner Lebensgefährtin mitbringt. Axel Ranisch spielt den besten Freund dieser überdrehten, fordernden jungen Frau, bei deren Missgeschicken man nie so genau weiß, ob sie Schicksal oder eigenes Zutun sind. Ranischs Karriere begann ja auch in Hof, mit Dicke Mädchen, und er hat dazu auch das »Sehr gute Filme«-Manifest verfasst, in dem es heißt: »Sehr gute Filme entstehen von der Idee, über den Dreh, bis zum Schnitt in einem Schwung – wie in einem einzigen, rauschhaften Arbeitsvorgang.« Wahrscheinlich muss man sich die Dreharbeiten von Liebe mich! so vorstellen.
Die »Berliner Schule« hat es zwar nie zu einem Manifest gebracht – aber Genrekino wäre sicher nicht Programm gewesen. Und der erste Versuch, Thomas Arslans völlig danebengegangener Western Gold, gibt eigentlich auch nicht zu Hoffnungen auf eine gelungene Symbiose Anlass. Aber Christoph Hochhäusler macht es in seinem Journalistenthriller Die Lügen der Sieger besser. Er schickt Florian David Fitz als investigativen Journalisten in einen Fall, der von der Invalidenpolitik der Bundeswehr hin zu einem veritablen Giftmüllskandal reicht. Parallel zu den Ermittlungen dieses Fabian Groys erleben wir, wie eine Agentur für Lobbyisten ihre Fäden spinnt. Die Lügen der Sieger hat zwei große Stärken: Hochhäusler kann auf der Thriller-Klaviatur spielen, und er beschäftigt sich mit der Konstruktion und Manipulation von Wirklichkeit.
Der Fall in Die Lügen der Sieger reicht bis in die ganz hohe Politik, und am Ende, das sagt ja schon der Titel, siegen die Mächtigen und die Lobbyisten, die Hochhäusler wie schon in seinem Bankenfilm Unter dir die Stadt immer durch oder vor viel Glas zeigt. Vollkommen versagen die politischen Strukturen in Wir sind jung. Wir sind stark, Burhan Qurbanis Rekonstruktion des 24. August 1992, des Tags, als im Rostocker Stadtteil Lichtenhagen ein von Ausländern bewohntes Hochhaus in Flammen aufging. Im Mittelpunkt steht Stefan (Jonas Nay), der Sohn eines schwachen, karriereorientierten Lokalpolitikers (Devid Striesow). Stefan wird den ersten Molotowcocktail aus dem Mob heraus, der das Haus umlagert, werfen. Qurbani, der seinen neuen Film deutlich weniger überfrachtet hat als seinen auf der Berlinale 2010 vorgestellten Shahada, gelingt gerade in den Schwarz-Weiß-Passagen der ersten Hälfte die Innenansicht einer Gruppe, ihrer Rituale und Strukturen.
Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns