Kritik zu We Are All Detroit – Vom Bleiben und Verschwinden

© Real Fiction Filmverleih

2021
Original-Titel: 
We Are All Detroit – Vom Bleiben und Verschwinden
Filmstart in Deutschland: 
12.05.2022
L: 
119 Min
FSK: 
Ohne Angabe

Parallelen zwischen Detroit und Bochum: Michel Loekens und Ulrike Frankens dokumentarische Langzeitstudie hält ästhetisch eindrucksvoll die Folgen des Niedergangs der Autoindustrie fest

Bewertung: 4
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Andächtig bewegen sich die Touris mit ihren Kameras durch ein leerstehendes Fabrikgebäude in Detroit. Einst war die Stadt blühendes Zentrum der Autoindustrie, jetzt erobert die Natur die mit Graffiti übersäten Betonskelette zurück. Als »Ruinen-Porno« bezeichnet der Guide die Aufnahmen dieses lost place, was auch auf diese Dokumentation zutreffen könnte. 

Ausgehend von der Schließung des Opelwerks in Bochum 2014 hat sich das Dokumentarfilmduo Michel Loeken und Ulrike Franken in einer Langzeitstudie auf die Suche nach Parallelen zwischen Detroit und der Stadt im Ruhrgebiet begeben. Was passiert, wenn so gigantische Standorte schließen, die das Selbstverständnis einer ganzen Region geprägt haben? Wenn die Existenzgrundlage der Menschen wegbricht und nur Wunden in der Landschaft bleiben? Welche Strategien der Umnutzung gibt es, und wie nachhaltig sind diese?

Ästhetisch kostet »We Are All Detroit« die Monumentalität leerstehender Hallen und Areale aus und hält genüsslich drauf, wenn ein Bagger einem Drachen gleich riesige Stahlkonstruktionen niederringt. Filmisch ist das eindrucksvoll, gelingt aber nicht ohne Nostalgie. Inhaltlich handelt vor allem die erste Hälfte des Films von den in Detroit umgesetzten Graswurzelprojekten, von Aufbruch und Selbstermächtigung. Die alte Opelaner-Wirkungsstätte in Bochum muss dagegen zu kurz gedachte Projekte und Marketing-Totgeburten erdulden. Danach resigniert der Film und eine eigene Haltung der Filmemacher*innen blitzt nur unterschwellig satirisch hervor.

Sehenswert ist das alles, auch die Porträts der ausgewählten Interviewpartner*innen zeichnen interessante Biografien nach. Die völlige Auslassung der Gastarbeiter, die seit den 1960ern ins Ruhrgebiet kamen und dessen Aufschwung erheblich beeinflussten, bleibt ein großes Manko des Films, und auch Schwarze kommen in Detroit – immerhin eine der größten Schwarzen-Gemeinden der USA – zu selten zu Wort.

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