Kritik zu Trans – I Got Life

© Mindjazz Pictures

Zwei Filmemacherinnen begleiten sieben Transmenschen auf einem Teil ihres Lebens und übersetzen diese Geschichten eindrücklich in eine eigene Bildsprache und Klangfarbe

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Eine der wohl eindrücklichsten Szenen ist, als plötzlich junge Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten im Gleichschritt in ein Gebäude marschieren. Wenig später sitzen sie in einem Vortrag von Oberst Elisabeth Sophia Landsteiner. Es ist jene Frau, die die beiden Filmemacherinnen Imogen Kimmel und Doris Metz zuvor mit ihrer Ehefrau bei einem Fotoshooting gezeigt haben, auf dem Segelflugzeug und bei Gesprächen über ihre Transition, wie der Sohn plötzlich damit umgehen musste, dass der Vater nun seine zweite Mutter ist. »Trans – I got life« heißt die Dokumentation, in der Kimmel und Metz sieben Transmenschen begleiten und zugleich Fragen aufwerfen, was diese für unsere Welt, die Evolution bedeuten. »In der Natur gibt es nirgendwo nur zwei Möglichkeiten«, sagt die amerikanische Chirurgin und Transfrau Dr. Marci Bowers. An anderer Stelle postuliert sie: »Die Auflösung der Geschlechter ist Teil der Evolution.«

Durch Zufall waren Kimmel und Metz auf das Thema gestoßen. Im Flugzeug sei sie mit einem Mann ins Gespräch gekommen, der auf die Frage nach seinem Beruf sagte, er operiere Frauen zu Männern und Männer zu Frauen. »Das hat mich nicht mehr losgelassen«, sagte Kimmel nach der Premiere auf dem Filmfest München. Das war vor mehr als fünf Jahren. Heidi Klum kürte noch keine Transfrauen zu »Germany's Next Topmodel«, ein Outing wie von Schauspielerin Ellen Page, die nun Elliot Page ist, schien undenkbar. Doch damals machten sich Kimmel und Metz auf die Suche nach Transmenschen mit Hilfe von Dr. Jürgen Schaff, jenem Münchner Facharzt für plastische und ästhetische Chirurgie aus dem Flugzeug. Behutsam begleiten die Filmemacherinnen die Frauen und Männer, lassen sie erzählen von ihren Erlebnissen, Rückschlägen, Entbehrungen, ihrer Sexualität. Von der jungen Jana, die schon mit drei merkte, dass sie ein Mädchen sein wollte, mit acht ihren Vater bat, sie nicht mehr Elias zu nennen. Seitdem hat sie nie wieder etwas von ihm gehört. Am Ende begleitet die Mutter Jana in den OP von Dr. Schaff. Da ist die KfZ-Mechanikerin ­Conny, die einst als Harald lebte und nach ihrer Geschlechtsumwandlung viele Kunden verlor, oder Rikku, die ihre Mutter aus ihrem Leben strich.

Kimmel und Metz zeigen auch die medizinischen Aspekte, wie Dr. Schaff Scheiden und Penisse moduliert, zeigen die Narben. Und sie reisen mit dem Chirurgen nach Russland, wo Transmenschen noch immer in großer Gefahr leben. Dabei inszenieren sie ihre Protagonistinnen und Protagonisten nicht, sie folgen ihnen vielmehr auf ihrem Weg, der ständige Bewegung, Entwicklung bedeutet. Diese Bewegungen übertragen sie in ihre Bildsprache, in wogende Weizen­felder, in Wellen und in den Alltag der Transmenschen. Neben den Bildern ist die Musik von Komponist Gregor Schwellenbach eine weitere Ebene, die den Fluss, die Bewegungen, die Geräusche aus dem OP, die Anspannung, die Lebensfreude aufnimmt. »Trans – I Got Life« ist eine eindringliche Dokumentation, die die Frage nach Identität aufwirft – mit beeindruckenden Menschen, Bildern und Klängen.

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